20.10.2002
Deeskalierend zuhauen - Polizei prügelt Neonazi-Aufmarsch durch Neubrandenburg
"Keine Gewalt! Keine Gewalt!" schallt es den Polizisten in der Clara-Zetkin-Straße entgegen. Doch diese lassen sich davon nicht beeindrucken - mit Schlägen und Tritten gehen sie rücksichtslos gegen die Sitzblockade vor, treiben anschließend die Menschen durch die Neustrelitzer Straße, schubsen und schlagen wieder. Friedlich ist es den mehreren hundert AntifaschistInnen in der Neubrandenburger Südstadt gelungen, den Neonazi-Aufmarsch zum Stoppen zu bringen. Beenden konnten sie ihn nicht.
"Deeskalation" hatte die Polizei im Vorfeld angekündigt. Ein Begriff, der in Neubrandenburg sehr eigen gehandhabt wurde: brutale Zugriffe mit mehreren Verletzten, Jagd auf ProtestiererInnen, abgesperrte Straßen. 700 PolizistInnen, darunter Beamte der Berliner Sondereinheit PMS (Politisch Motivierte Straßengewalt) waren im Einsatz.
Sie machten für die Demonstration von 360 Neonazis - so viele, wie schon seit Jahren nicht mehr auf einer Demonstration in Mecklenburg-Vorpommern - den Weg frei. Erneut hatte Enrico Harmisch vom Kameradschaftsbund Usedom den Aufmarsch angemeldet, dem Motto "Während das Bürgertum schläft, kämpfen wir um unsere Zukunft" folgten Neonazis aus McPomm, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein. Die Organisatoren gaben sich kämpferisch: sie versuchten AntifaschistInnen einzuschüchtern und der Polizei zu drohen, selber gegen die ProtestiererInnen vorzugehen, wenn sie gegen Störungen nicht eingreifen würde. Diese ließ sich nicht lange bitten. Das vielgerufene "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten" war untertrieben angesichts der aktiven Rolle der BeamtInnen.
Doch die sechs- bis siebenhundert in der Stadt verstreuten GegendemonstrantInnen konnten sie nicht gänzlich unter Kontrolle bringen. Ständig wurden die Neonazis mit Sprüchen, selten mehr, eingedeckt. Nach der Räumung der Zetkin-Straße kam es zu kurzen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Immer wieder gab es kleinere Blockaden der Wegstrecke, die sogar kurzfristig geändert werden mußte.
Das änderte nichts am Hochmut der Neonazis, die ihre Abschlußkundgebung triumphierend vor dem Rathaus abhalten konnten. Der schleswig-holsteiner NPD-Landesvorsitzende Peter Borchert bastelte am Mythos einer durch die anwesenden "Nationalsozialisten" "national-befreiten Zone" Neubrandenburg, während der Greifswalder NPD-Vorsitzende Maik Spiegelmacher versprach, Deutschland wiederauferstehen zu lassen. Der brandenburger Nazi-Barde Jörg Hähnel tönte von der Einigkeit aller "100 Millionen Deutschen", der Berliner Kameradschaftsführer Lutz Gießen sprach das Schlußwort.
Die Erwartung vieler AntifaschistInnen, den Aufmarsch beenden zu können, wurde nicht erfüllt. Durch die Einsatzbereitschaft der Polizei konnten die Neonazis ihre Demonstration bis zum Ende durchziehen. Was bleibt, ist ein Aufmarsch, der von vielfältigsten Aktionen gestört wurde, ein Protestpotential, das vielfältig und spontan ist, und eine Stadt, in der die unterschiedlichsten Einwohner sich offen gegen Neonazis aussprechen. Zumindest all das ist im restlichen Mecklenburg-Vorpommern selten geworden.
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Faschos: Berliner Kameradschaft Tor
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07.11.:
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