links-lang fetzt!

Krach, Krawall und Kreativität

Die Eröffnung eines Neonazi-Ladens in Rostock vor einigen Tagen hat eine Welle von Protesten ausgelöst. Angriffe, Bedrohungen und Provokationen der Rechten wurden mit unterschiedlichsten Mitteln beantwortet.

26.06.2007

Bilder der Eröffnung
Antifa-Demo
Antifa-Demo zur Eröffnung, 800x600, 139 KB
David Petereit
David Petereit zur Eröffnung mit Knüppel, 800x600, 125 KB
Kundgebung heute
Nazis
Lächeln sieht anders aus, 800x600, 153 KB
Antifa-Transpi
Mehr als Lokalpatriotismus? 800x600, 108 KB
Polizei
Polizei, 600x800, 129 KB
Breiter Protest
Breiter Protest, 800x600, 136 KB
Antifa-Flugblatt
Antifa-Flugblatt zum Laden, 170 KB
Es geht rund in Rostock. Seit Neonazis vor weniger als zwei Wochen im eher alternativ geprägten Stadtviertel Kröpeliner Tor-Vorstadt (KTV) einen Szene-Laden eröffnet haben, kommt die Öffentlichkeit der Hansestadt nicht zur Ruhe. Übergriffe von Neonazis auf Anwohner, öffentlicher Protest gegen Rechts und direkte Aktionen von Antifas wechseln sich ab.

Schon in der Nacht vor der Eröffnung des Geschäftes "East Side Corner" in der Doberaner Straße 48 / Ecke Budapester Straße am 15. Juni wurden einige Scheiben eingeworfen und Parolen an die Jalousien gesprüht. Am Tag selber demonstrierten 60 Antifaschist/innen spontan vor dem Laden. Von den Nazis, unter ihnen Besitzer Torben Klebe, Geschäftsführer Thorsten de Vries und NPD-Landtagsmitarbeiter David Petereit, bewaffneten sich einige mit Eisenstangen und bedrohten ihre Gegner/innen. Auch der NPD-Landtagsabgeordnete Birger Lüssow wurde an dem Tag im Laden gesehen.

In den folgenden Nächten wurden immer wieder Menschen gegen den Laden aktiv, sprühten Sprüche oder sabotierten etwa die Jalousien mit Bauschaum. Die Nazis reagierten mit weiteren Drohungen und Angriffen: In der Nacht zum 21. Juli etwa wurden zwei Passanten mit Pfefferspray attackiert. Während einer der Betroffenen fliehen und die Polizei benachrichtigen konnte, zerrten die Nazis den anderen in Richtung des Ladens. Der Opferberatungsverein Lobbi behauptet, dass nach Aussagen von Zeugen wieder der NPD-Mitarbeiter David Petereit anwesend und mit einer Eisenstange bewaffnet war.

Nazi-Angriff blieb nicht unbeantwortet

Die Reaktion auf diesen bis dahin heftigsten Übergriff aus dem Geschäft folgte prompt. In der folgenden Nacht zum 22. Juli griffen 40 bis 50 Vermummte den Laden an, in den sich die bewachenden Neonazis geflüchtet hatten, bewarfen ihn mit Flaschen, zerschlugen die Jalousien und beschädigten eine Scheibe. Mülltonnen wurden auf die Straße gezerrt, um der anrückenden Polizei die Verfolgung zu erschweren. Nach deren Angaben stellten die Beamten später eine Gruppe, die sich heftig mit einem Knüppel und Schlägen zur Wehr gesetzt haben soll. Vier Personen wurden vorläufig festgenommen.

Am folgenden Tag, dem Freitag, blieb es ereignislos, als die Neonazis unruhig vor ihrem Geschäft Wache schoben. Doch schon einen Tag später kam es zu erneuten Aktivitäten. Von einem Stadtteilfest in der KTV aus demonstrierten immer wieder Menschen friedlich gegen den Laden und blockierten zeitweise die Doberaner Straße. Kurzzeitig wurde die Polizei von einem Angriff auf die Neonazis mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern aus einer Seitenstraße überrascht, konnte die Gruppen jedoch trennen. Dafür mußten die Beamten auch Angriffe der Neonazis abwehren, die ebenfalls mit Steinen warfen und Passanten angriffen. Schließlich löste die Polizei die Blockade auf und nahm mit überzogener Härte Demonstrant/innen in Gewahrsahm. 14 Beamte sollen leicht verletzt sein, 40 Menschen wurden festgenommen. Als Kontaktperson der Neonazis gegenüber der Polizei benennen Presseberichte den NPD-Generalsekretär und Schweriner Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx.

Ruhig und vor dem Laden leer blieb es folgenden Sonntag, für den Neonazis ein "Grillen gegen Links" angekündigt hatten. Ein Unterschriftensammlung von Bündnis 90/Die Grünen und den Jusos am Montag, den 25. Juni, lief ohne größere Störungen der Nazis ab. Lediglich ein paar ihrer Anhänger fotografierten jene, die mit ihrer Aktion den Rostocker Oberbürgermeister zum Handeln gegen das Geschäft auffordern wollen.

Am Dienstag schließlich fing die NPD an, sich mittels des Ladengeschäftes in Szene zu setzen. Zu einer Pressekonferenz der Partei reisten die Landtagsabgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster nebst einigen Mitarbeiter und Sympathisanten wie Martin Krause oder David Petereit an. Direkt vor dem Laden protestierten zwischen 100 und 150 Menschen gegen diesen Vor-Ort-Termin der NPD-Fraktion. Obwohl alles friedlich war, wurde eine antifaschistische Spontandemo gestoppt, mit Platzverweisen bedacht und mehrere Personen von der Polizei später in Gewahrsam genommen.

Eskalationsstrategie der Nazis verhindert Normalisierung

Der Aktionismus der vergangenen Tage rund um den Laden wird in der nächsten Zeit nicht abreißen. Während die Neonazis um den hitzköpfigen Thorsten de Vries ihn als Kampf um die "Frontstadt" Rostock deuten, ist er für weite Teile der lokalen Einwohnerschaft Protest gegen die menschenverachtende Ideologie der Rechten in Form des Ladens und Treffpunktes wie auch die Sorge um das offene und tolerante Klima im Viertel. Es stimmt zuversichtlich, dass aus der Angst der Anwohner/innen um die offene Bedrohung durch die Rechten nicht Zurückhaltung, sondern der Wille zu den unterschiedlichen Formen von Widerstand erwächst. So passiert es nicht, dass man sich an den Laden, seine Betreiber und seine Kundschaft gewöhnt, wie es in anderen Regionen des Landes längst der Fall ist.

Nicht zuletzt die Nazis selber erweisen ihrer eigenen Sache einen zweifelhaften Dienst, indem sie beständig Eskalationen herbeiführen und so diesen Normalisierungseffekt verhindern: Für die kommenden beiden Wochenenden hat die Szene durch die NPD Demonstrationen in der KTV angekündigt; massive Proteste sind wahrscheinlich. Es wird wohl in Rostock noch so lange unruhig bleiben, bis der Nazi-Laden dichtgemacht hat.

Links

"'East Coast Corner' dichtmachen!"
Flyer von Rostocker Antifas gegen den Nazi-Laden
http://www.links-lang.de/0607/08.pdf

"Spontane Demonstration gegen Nazi-Geschäft"
Pressemitteilung der Antifa A3 zur Eröffnung des Nazi-Ladens
http://www.links-lang.de/0607/05.php

"NPD-Funktionär an Angriff vor Neonazishop in Rostock beteiligt"
Pressemitteilung des Opferberatungsvereins Lobbi zu Nazi-Übergriffen
http://www.lobbi-mv.de/presse/pm070625.php

"Reine Provokation"
Die Juso-Internetseite Endstation Rechts berichtet regelmäßig über den Laden
http://www.endstation-rechts.de/

"Final Countdown in Rostock"
Ein Feature zu den Aktivitäten in Rostock gegen den Laden gibt es auch bei indymedia
http://de.indymedia.org/2007/06/186149.shtml