Die Freiheit der Selbstunterdrückung - Fascho-Frauen-Demo in Greifswald
zuletzt aktualisiert: 23.06.2002
"1. Nationale Frauendemonstration gegen Kindesmißbrauch und Abtreibung". Dazu ein Idealbild der deutschen Frau, die zum Kind in ihrem Arm schaut. Was braucht der Mensch mehr, um das klassische faschistische Frauenbild zu sehen und zu erkennen, dass die NPD in Greifswald die selbstbewußte Frau präsentieren will. "Nationalismus ist auch Frauensache," heißt es schon lange, um den Widerspruch zwischen einem propagierten reaktionärem Frauenbild und der aktiven und modernen Frau auszuräumen. Doch der ist trotzdem da, wenn auch auf einer anderen Ebene.
"Aufgabe (der Frau) für die Gemeinschaft ist und bleibt Geburt und Aufzucht von Kindern." Was Michael Kühnen 1985 schrieb, ist für Nazis noch immmer aktuell. Rechte Parteien kennen Frauenpolitik nur unter dem Begriff Familienpolitik und weisen der Frau programmatisch die Rolle der Hüterin des Herdes und der Kinder - im schönen auch Familie genannt - zu. Rechte Männer besonders aus dem neonazistischen Spektrum hegen, pflegen und propagieren ihr klassisches Rollenverhältnis. Ideologen fahren ab und zu mal ein paar Frauen auf, die dann auch schnell gegen die Selbstbestimmung über ihren Körper sprechen dürfen. Ist bekannt: Zwischen den Unterdrückten gibt es immer welche, die es gerne sind.
Das Bild des "Heimchens-am-Herd" entspricht jedoch schon lange nicht mehr mit der Realität in der rechten Szene. Frauen nehmen vermehrt Führungspositionen in Gremien ein, erlangen in Gruppen die Meinungsführerschaft oder bringen sich in Aktionen mit ein. Obgleich sie für faschistische Ziele eintreten, tun sie es offensiv und selbstbewußt, wie aktuelle Betrachtungen zeigen. Eine Forscher kommen sogar zu dem Schluß, "dass es punktuelle Überschneidungen zwischen den Positionen rechter Frauen und denen linker feministischer Frauen geben kann. Patriarchats- und Sexismuskritik sind kein eindeutiges Erkennungszeichen für eine insgesamt herrschaftskritische, demokratische oder humanitäre Orientierung." (Renate Bitzan zitiert nach Michaela Köttig).
Der Versuch einer "Nationalen Frauendemonstration" wird zeigen, wie diese Entwicklung sich in Mecklenburg-Vorpommern zeigt. Bisher hielten sich die Frauen bei der NPD des Landes in der Öffentlichkeit zurück. Ausnahme ist hier Doris Zutt, Betreiberin von Zutt's Patrioten-Treff in Waren-Müritz, die als Rednerin angekündigt ist. Neben ihrer Rolle in der Kommunalpolitik im hessischen Ehringshausen kandidierte sie für das Bürgermeisteramt in Waren im letzten Jahr und drohte der Stadt eher peinlich in Pressemitteilungen. Caroline Beetz etwa, ehemalige Vorsitzende der "Schülerinitiative für freie Meinungsäußerung und -bildung" und heute NPD-Mitglied, beschränkte sich bei Demonstrationen auf das Halten der Mikros für die Redner, nimmt jedoch bei kleineren Sachen eine aktive Rolle ein.
Woanders dagegen sind Frauen ihrem ideologischen Bild entsprechend in die Szene involviert - etwa beim erste-Hilfe-Dienst Braunes Kreuz - oder werden in Fascho-Skinhead-Kreisen von den Männern eher als Objekte gesehen...
Die veranstaltende und der NPD nahestehende "Bürgerinitiative zur Wahrung der Grundrechte" mit ihrem Vorsitzenden Holger Kickhefel gibt sich als Interessenvertreterin der Greifswalder Bürger aus, indem sie Petitionen zur "Errichtung eines Kinderspielplatzes" einreicht, aber auch Unterschriftensammlungen gegen den "unbegrenzten Zuzug von Ausländern" macht. Schon Anfang 2001 gegründet, entfaltet sie in letzter Zeit wieder Aktivität.
Die Fascho-Demonstration wird sicher ein interessantes Erlebnis. Trotz allem Selbständigkeit bleiben Nazis Nazis, ob Frau oder Mann. Die Demo beginnt gegen 10 Uhr im Kiez der Nasen, dem Greifswalder Ostseeviertel, nahe dem Parkplatz Rigaer Straße / Gedser Ring, und führt dort durch die Wohnblöcke hindurch. Konkrete Gegenaktivitäten sind wie bei den letzten Aktionen weder geplant noch angekündigt. Die Polizei wird insofern mit wenigen Leuten im Einsatz sein, am 29. Juni waren es 60 Uniformierte.
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