links-lang fetzt!

Ostseezeitung vom 9. Juni 2001

Es war Mord

Gericht verurteilt Greifswalder Schläger für brutales Verbrechen

Relativ milde Urteile fällte das Gericht im Prozess um den Obdachlosenmord von Greifswald. Dennoch war von einem äußerst brutalen und grausamen Verbrechen die Rede. Während die Eltern um Fassung rangen und Tränen nicht verbergen konnten, zeigten die verurteilten Jugendlichen keinerlei Regung.

Stralsund (OZ) Die Augen der Mütter sind verweint. Ihre Blicke fragen: Warum? Wie konnte es soweit kommen? Ihre Söhne - Mörder? Als solche wurden sie gestern vom Landgericht Stralsund verurteilt. Zu sieben bis zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Für ein grausames Verbrechen, das mit "nicht mehr zu überbietender Brutalität" begangen wurde. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Loose spricht von "Schlächtermentalität", die zwei 16-Jährige und ein 21-Jähriger Greifswalder in jener Nacht zum 25. November vergangenen Jahres offenbarten. Mit armdicken Baumstützpfählen haben Maik J. und Marcel L. auf den am Boden liegenden Obdachlosen Eckhard Rütz eingeschlagen. Auf den Kopf. Immer wieder auf den Kopf. Maik D. half mit den Füßen nach, stampfte auf Bauch und Rippen des 42-Jährigen herum. Erst als Rütz sich nicht mehr bewegte, ließen die Schläger von ihm ab.

Doch kurze Zeit später waren sie wieder da. Entschlossen, ihn mundtot zu machen. "Der hätte uns ja anzeigen können", hatte der 16-jährige Maik J. den erneuten Angriff begründet. Auf einen Obdachlosen, der seiner Meinung nach sowieso "nur dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche" liege. Wieder schlugen sie zu. So brutal, dass selbst Gerichsmediziner, die schon manches Gewaltopfer gesehen haben, fassungslos waren. Als Beweisstück hatten sie während des Prozesses den zertrümmerten Schädel von Rütz mitgebracht. In seine Einzelteile zerschlagen, von den Pfählen durchbohrt. Das Gericht musste an jenem Verhandlungstag sichtlich um Fassung ringen.

Es war Mord. Die jungen Männer hätten "im Sinn gehabt, diesen Menschen zu töten", unterstreicht Richter Loose. "Etwas anderes wäre lebensfremd." Die beiden jüngeren ordnet er "deutlich" der rechten Szene zu. Das hätten die Funde in den Kinderzimmern klar belegt. Maik J. war kurzzeitig Mitglied der NPD, wurde dann aber nach gewaltsamen Übergriffen wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen. Maik D., der Ältere im Trio, war zumindest Sympathisant der Rechten und ansonsten aus Sicht seiner mitangeklagten Freunde der "nette Schwächling". An seinen Tritten ist Rütz nicht gestorben und er war auch beim zweiten Angriff "nur" der Aufpasser. Dennoch wurde er wegen versuchten Mordes und Beihilfe zum Mord verurteilt. "Er ist Mittäter", daran lässt Loose keinen Zweifel. Als Ältester sei er nicht eingeschritten, habe keine Hilfe geleistet, sich mit Tritten selbst eingebracht. Zehn Jahre Haft, lautet das Urteil. D. und sein Anwalt akzeptieren sofort, blieb das Gericht doch deutlich unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten lebenslangen Haftstrafe. Maik J. als "Ideengeber" und Haupttäter muss für siebeneinhalb Jahre ins Gefängnis, Marcel L. für sieben.

Es sind "relativ milde Urteile", bekennt Loose. Die Kammer habe honoriert, dass die Angeklagten die Tötungsabsicht gestanden hätten. Damit seien sie auf dem Weg "diese Tat aufzuarbeiten und zu verarbeiten". Sie hätten im Prozess "ehrliche Reue" gezeigt und mit umfassenden Geständnissen erhellend zur Aufklärung beigetragen. Der angegebene, aber anzuzweifelnde hohe Alkoholkonsum sei keine Entschuldigung.

Die Mütter lassen ihren Tränen freien Lauf. Nur die Söhne zeigen keinerlei Regung. Obwohl sie viele Jahre ins Gefängnis müssen. Dabei hatten sie noch Glück, denn es hätten mehr sein können, wäre es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft gegangen.

Dass ihre Kinder die in allen Einzelheiten geschilderte Tat begangen haben sollen, können die Eltern nicht fassen. Sie hatten doch alles - eigenes Kinderzimmer, Musikanlage, Fernseher, Handy. "Schuld" sei nur die rechte Szene, in die alle drei abgeglitten sind. "Wen die NPD in den Fängen hat, den lässt sie so schnell nicht wieder los", sagt die Oma von Maik J.. Eine zu einfache Erklärung, denn im Gerichtssaal anwesende Lehrer wissen nur zu gut, dass gerade die beiden 16-Jährigen "immer Schwierigkeiten" bereiteten.

"Sie haben sich als Herr über Leben und Tod aufgeschwungen und meinten das angeblich lebensunwerte Leben von Eckhard Rütz beenden zu dürfen", fasst Loose zusammen. Dafür müssen sie hinter Gitter. Dort liegen die drei dem Steuerzahler jahrelang auf der Tasche. Jeder mit rund 140 Mark pro Tag.
DORIS KESSELRING und SILKE ZSCHÄCKEL

Schweriner Volkszeitung vom 9. Juni 2001

Jugendliche Schläger wegen Mordes verurteilt

Obdachlosen-Mordprozess endet mit Haftstrafen

Stralsund (dpa) Im Obdachlosen-Mordprozess in Stralsund sind die drei Angeklagten zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Zwei 16- Jährige müssen wegen gemeinschaftlichen Mordes für siebeneinhalb beziehungsweise sieben Jahre hinter Gitter. Ein 21-jähriger Mittäter wurde vom Landgericht Stralsund am Freitag wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die jungen Männer haben im November vorigen Jahres einen Obdachlosen in Greifswald brutal zu Tode geprügelt. Die drei gehörten der rechten Szene an. Der Richter sagte, die drei Verurteilten hätten aus niederen Beweggründen gehandelt, als sie in der Nacht zum 25. November vorigen Jahres den 42-jährigen Obdachlosen Eckhardt Rütz vor der Mensa der Universität Greifswald zu Tode prügelten. Sie hätten sich zum Herrn über Leben und Tod aufgeschwungen und ein aus ihrer Sicht lebensunwertes Leben beenden wollen. "Die Tat ist an Brutalität kaum zu überbieten", sagte der Richter.

Ostseezeitung vom 30. Mai 2001

"Wir wollten ihm nur eine Lektion erteilen"

16-Jähriger legt Geständnis in Greifswalder Mordprozess ab

Im Prozess um den brutalen Mord an einem Greifswalder Obdachlosen sitzen seit gestern drei junge Männer auf der Anklagebank. Einer der beiden 16-jährigen gestand bereits die Tat.
Stralsund (OZ) Der Greifswalder Obdachlose Eckhard Rütz musste sterben, weil er nach Meinung eines 16-jährigen Schülers "dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegt". "Wir wollten ihm nur eine Lektion verpassen. Dabei haben wir ihn leider tot gehauen." Das Geständnis von Maik J., einem der drei Angeklagten, gestern vor dem Landgericht Stralsund. Mit ihm müssen sich im Prozess um den brutalen Tod eines Obdachlosen noch Marcel L. (16) und der 21-jährige Maik D. verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen gefährliche Körperverletzung und gemeinschaftlich begangenen Mord vor.

Maik J. war der erste, der gestern zum Prozessauftakt die Ereignisse der Mordnacht zum 25. November vergangenen Jahres schildern sollte. Dabei ist nach seinen Aussagen zunächst einmal reichlich Bier geflossen. Gleich nach der Schule habe er schon drei halbe Liter geschluckt. Dann, nach dem Mittagessen zu Hause, noch drei Flaschen. Alkohol war bei den drei Freunden offensichtlich das täglich Brot. Beim abendlichen Treff haben sie sich 30 Flaschen (0,3l) Bier reingezogen. "Ich so zehn bis 15 Flaschen", gab Maik J. an. Was der Vorsitzende Richter Wolfgang Loose stark anzweifelte.

Auf dem Heimweg dann entdeckten die drei Angeklagten den Obdachlosen. Liegend, neben einer Telefonzelle. Maik D., der Älteste des Trios, hätte dem 42-Jährigen empfohlen, aus der dunklen Ecke zu verschwinden, sonst würde er noch zusammen geschlagen. Erinnernd an die "Geschichte mit Kläuser", von dem der 16-jährige Maik J. lediglich weiß, dass der "auch nur ein Obdachloser war, der tot geschlagen wurde".

Kurze Zeit nach dem vielleicht noch wohl gemeinten Rat an Rütz kam Maik J. auf die "Idee", wie er sagt, den Obdachlosen zusammenzuschlagen, aus besagten Steuerzahler-Gründen. "Wir haben Stöcker gesucht und auf ihn eingeschlagen", erzählt J. emotionslos. Mehrfach und "im Kopfbereich", D. habe zwei-, dreimal zugetreten. Dann wären sie weitergezogen.

Doch das Opfer hat noch etwas gesagt. Vielleicht gestöhnt, um Hilfe gerufen. Maik J. weiß es nicht mehr, überhaupt ist ihm vieles entfallen. Nur diese Äußerung des Obdachlosen, die brachte ihn wieder auf eine "Idee", die zweite verhängnisvolle an jenem Abend, an die er sich wiederum gut erinnert. Das Opfer könnte vielleicht "eine Anzeige machen". Um dies zu verhindern, kehrten die Täter um, schlugen erneut zu. Außer D., der hätte Schmiere gestanden. Erst als Rütz sich nicht mehr regte, zogen sie ab. Nach Hause auf ein Bier und einen gemütlichen Fernsehausklang.

Mit Schädelbasisbruch und Gesichstrümmerfraktur wurde Eckhard Rütz gefunden. Der Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen. Nach Hinweisen aus der Bevölkerung kam die Polizei den Tätern auf die Spur. Drei Wochen später wurden sie festgenommen.

Richter Loose, der schon im Januar, die Verhandlung um den Obdachlosenmord von Ahlbeck geleitet hatte, wirkt sehr energisch. Immer wieder hakt er nach. "Eine Anzeige verhindert man nur, wenn man jemanden ausschaltet. Wollten Sie das?" Maik J. bestreitet jeden Tatvorsatz. "Ich wollte ihn nicht gleich tot hauen", beteuert er immer wieder.

Regungslos verfolgen die Eltern der beiden 16-jährigen das Geschehen im Gerichtssaal. Es trifft sie kein Blick von den Söhnen auf der Anklagebank. Die halten die Köpfe gesenkt, sitzen wie kleine Hänflinge zwischen den Verteidigern. In Turnschuhen und Jogginghose. Alle drei bewegten sich in der rechten Szene in Greifswald. Einer der beiden 16-Jährigen war nach Angaben der Staatsanwaltschaft bis kurz vor der Tat noch NPD-Mitglied.

Die nächsten Jahre werden sie vermutlich im Gefängnis verbringen. Dem 21-Jährigen droht eine lebenslange Haftstrafe, den beiden 16-Jährigen Jugendstrafen bis zu zehn Jahren. Der auf fünf Tage angesetzte Prozess wird heute fortgesetzt.

Schweriner Volkszeitung vom 30. Mai 2001

Geständnis im Obdachlosen-Mord

Motiv der drei jugendlichen Täter offen / alle mit Kontakt zur rechten Szene

Stralsund (dpa) Im Prozess um die brutale Tötung eines Obdachlosen in Greifswald hat einer der drei Angeklagten ein Geständnis abgelegt. Sie hätten dem 42 Jahre alten Obdachlosen lediglich eine Lektion erteilen wollen. "Aber wir haben ihn leider tot gehauen", sagte der 16-Jährige gestern vor dem Landgericht Stralsund. Er bestritt allerdings einen Tatvorsatz: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass er stirbt." Mit ihm muss sich noch ein zweiter 16-Jähriger und ein 21 Jahre alter Mann wegen gefährlicher Körperverletzung und gemeinschaftlich begangenen Mordes verantworten.

Das eigentliche Motiv blieb am ersten Verhandlungstag im Dunkeln. Der 16-Jährige erklärte zwar, sie hätten den Obdachlosen geschlagen, weil er dem "deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegt". Konkretere Angaben zum Motiv machte er jedoch nicht. Auf die Frage eines Sachverständigen, ob er, der Angeklagte, schon mal das Gefühl gehabt habe, den deutschen Steuerzahler zu entlasten, antwortete der Schüler nur: "Keine Ahnung".

Das Opfer Eckhard Rütz war der vierte Obdachlose, der im vergangenen Jahr im Land von jugendlichen Schlägern zu Tode geprügelt wurde. Die drei Angeklagten hatten Rütz in der Nacht zum 25. November vergangenen Jahres liegend vor der Mensa der Universität entdeckt. Der 21-Jährige bot ihm noch eine Mark an und warnte ihn, es sei gefährlich dort alleine im Dunkeln zu liegen. Anschließend entschieden sich die jungen Männer aber, auf den wehrlosen Obdachlosen einzuschlagen. Zuvor hatten sie nach Angaben des 16-Jährigen etwa ein Meter lange Stöcke gesucht, mit dem sie dann vor allem auf den Kopf des Mannes einschlugen.

Dann ließen sie vorübergehend von ihrem Opfer ab und gingen weg. Aus Angst davor, dass der Obdachlose sie anzeigt, kehrten die drei kurze Zeit später wieder zurück. Die beiden 16-Jährigen schlugen und traten erneut auf den 42-Jährigen ein, während der 21-Jährige dabei "Schmiere stand". Rütz erlitt dabei tödliche Verletzungen. Der 16-Jährige hatte nach eigenen Angaben im Verlauf des Tages und am Abend bis zu acht Liter Bier aus Dosen und Flaschen getrunken. Ihm und dem gleichaltrigen Angeklagten drohen Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren. Der 21-Jährige muss mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.

Alle drei Angeklagten bewegten sich in der rechten Szene in Greifswald. Einer der 16-Jährigen war bis kurz vor dem Verbrechen NPD-Mitglied. Der 21-Jährige befand sich zur Tatzeit im letzten Ausbildungsjahr als Gartenlandschaftsbauer.