Profite für den "nationalen Sozialismus"
In Mecklenburg-Vorpommern eröffnen immer mehr Läden für die Neonazi-Szene. Proteste gegen diese Umschlägplätze rechter Propaganda sind selten.
19.07.2007
Die Namen klingen modern. "New Dawn", "East Coast Corner" oder "H8-Store" (gesprochen: Hate-Store) heißen die Läden, die in vielen Orten Mecklenburg-Vorpommerns direkt an den Hauptstraßen und inmitten der Innenstädte zu finden sind. Die Klamotten sind hochwertig und auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich für Szene-Shops - jene Geschäfte, in denen Jugendliche und Heranwachsende sich mit leicht rebellischer Attitude einkleiden können. Würden da nicht Stahlhelme oder SS-Runen als Dekoration neben T-Shirt-Ständern und CD-Regalen stehen. Nationalsozialistische Codes und Symbole, die auf die Verstrickung der oftmals von außen unscheinbaren Geschäfte mit der rechtsradikalen Szene hinweisen.
Immer mehr Neonazis versuchen, ihr politisches Engagement für einen "nationalen Sozialismus" mit dem Zwang zum Broterwerb zu verbinden. Der boomende Markt von Rechtsrock-CDs über Szene-Accessoires bis hin zu Kleidung mit politischen und aggressiven Botschaften ist hierbei mehr als einträglich. Je mehr sich rechtsradikale Einstellungen in der Gesellschaft festsetzen, je mehr Jugendliche sich zur rechten Szene bekennen, umso größer ist der Bedarf nach Zeichen dieser Zugehörigkeit. Der Stolz beim Tragen eines "Thor Steinar"-Pullovers oder beim Hören einer "Landser"-CD reiht sich neben die gemeinschaftliche Selbstversicherung beim Kameradschaftsabend. Fast immer fließen die Umsätze dabei zurück in die Szene zur Finanzierung neuer Aktivitäten.
In Rostock schlägt den Rechten seit einigen Wochen Protest entgegen. Anwohner/innen protestieren mit unterschiedlichsten Aktivitäten gegen das Ladengeschäft "East Coast Corner" der Hamburger Neonazis Torben Klebe und Thorsten de Vries in der Doberaner Straße 48. Seit Jahren sind die beiden in einschlägigen, zum Teil verbotenen Gruppierungen wie der Kameradschaft "Hamburger Sturm" oder "Blood&Honour" aktiv. Der Widerspruch gegen die Pläne der Nazis findet in Rostock große Resonanz, in weiten Teilen des Landes jedoch ist er selten.
So eröffnete erst vor wenigen Wochen in Schwerin der "Thule Store". Auf der Homepage des Ladens in der Wismarschen Straße prangt groß eine schwarze Sonne, ein Symbol der nationalsozialistischen SS, im Geschäft gibt es das übliche Angebot rechter Kleidung, Zeitschriften und CDs. Die bislang weitgehend ungestörten Betreiber kommen aus dem Umfeld der Berliner Neonazi-Szene.
Ebenfalls erst vor wenigen Monaten hat in Stralsund das "Sonnenbanner" aufgemacht, ein rechter Laden, dessen Betreiber eng mit der Neonazi-Szene Mecklenburg-Vorpommerns verknüpft sind. In den Besitz des Gebäudes am Triebseer Damm, in dem das Geschäft eingerichtet ist, ist der Hamburger Neonazi und Anwalt Jürgen Rieger involviert. Kurz der Eröffnung gab es kurzen Streit in der lokalen rechten Szene, weil in der Stadt bereits ein einschlägiger Laden existiert. "Headhunter Streetware" bei der Kneipe Escobar residiert in der Baarther Straße.
Schon seit Jahren existiert dagegen das "New Dawn" in Anklam, ein Szene-Geschäft mitten in der Stadt. Betreiber Markus Thielke ist nicht nur Teil des neonazistischen Kameradschaftsmilieus in der Region, sondern von dem Laden gingen in der Vergangenheit auch politische Aktivitäten aus.
Relativ unbeachtet blieb bislang das rechte Geschäft "Youngland" in Strasburg im Landkreis Uecker-Randow. Dabei betreibt ein aus Pasewalk stammender Neonazi den Laden in der Bahnhofstraße schon seit dem Frühjahr 2005. Neben einschlägigen rechten Modemarken wurde über die Ladentheke auch NPD-Propaganda vertrieben. Derzeit muss der Laden renoviert werden.
Auch in Güstrow versuchen Rechte mit dem Verkauf von Szene-Kleidung Geld zu verdienen. In der Eisenbahnstraße-Straße haben sie einen Laden eröffnet, der wesentlich "Thor Steinar"-Klamotten verkauft. Das Label stammt aus der rechten Szene, kokettiert mit einschlägiger Symbolik und wird von Neonazis als "ihre" Marke angesehen. Das "Thor Steinar"-Logo ist in einigen Bundesländern verboten. Seit einiger Zeit gibt es Proteste von Antifaschist/innen gegen den Laden in Güstrow.
In Gnoien hat in der Friedensstraße 70 kürzlich ein Geschäft eröffnet, das rechte Kundenkreise bedient. Der Laden, der vor allem Kleidung der Marke "Thor Steinar" verkauft, kann mit deren Symbolik sogar ungestört als Sponsor überregionaler Veranstaltungen auftreten.
Nur kurz konnte sich in der Neubrandenburger Innenstadt ein "Thor Steinar" Laden einrichten. Ende April eröffnete in der dortigen Pfaffenstraße das Geschäft "Most Wanted". Die Inhaber bezeichneten sich als Supporter (Unterstützer) des internationalen Motoradclubs "Bandidos". Den Bikern werden in der Region enge Kontakte zur vorpommerschen Nazi-Szene unterstellt. Mittlerweile steht der Laden wieder leer und ist ab August neu zu vermieten. Ob mangelnder Umsatz, eine Kündigung der Vermieterin, Flugblattaktionen, beschädigte Fensterscheiben oder alles zusammen zu der Schließung führten, ist derzeit unklar.
Einer der ältesten Neonazi-Läden des Bundeslandes ist in Waren-Müritz zu finden, wo das NPD-Vorstandsmitglied Doris Zutt "Zutt’s Patriotentreff" betreibt. Proteste gegen den "Gemischtwarenladen" der Szene, der von Kleidung über Musik auch einschlägige Literatur anbietet, sind in der Stadt sehr selten.
Neonazis mit Geschäftssinn haben sich auch in Wismar eingefunden, wo neben einem Laden am Spiegelberg ein Versandhandel, ein Tattoo-Laden und sogar ein Wohnprojekt am Spiegelberg der rechten Szene zuzuordnen sind. Die Neonazis aus der Stadt haben ihre Aktivitäten bundesweit ausgerichtet und fallen immer wieder durch Angriffe auf Andersdenkende auf. Seit kurzer Zeit jedoch wehren sich Anwohner/innen gegen die Rechten, machen bei der Stadtverwaltung Druck und fordern die Polizei auf, genauer auf einschlägige Straftaten zu achten. Vor einigen Jahren bereits war es Anwohner/innen gelungen, durch ihr Engagement die Kündigung und damit Schließung eines rechten Szene-Shops zu erreichen.
Die Proteste in Wismar und Rostock zeigen, dass Widerspruch gegen die Aktivitäten von Neonazis nicht nur möglich ist, sondern auch erfolgreich sein kann. Zudem ist er bitter nötig: Denn die Ladengeschäfte der Rechten sind nicht ein Gewerbe unter vielen, sondern Treffpunkte und Umschlagplätze für die Hasspropaganda der Neonazis. Von hier aus wird rassistische und nationalistische Hetze in die Gesellschaft getragen und damit der Boden für rechte Gewalt bereitet. Denn auch wenn Outfit und style modern erscheinen mögen - die Inhalte sind altbekannt. Es ist der gleiche Wahnsinn von Volksgemeinschaft, Herrenmenschentum und Kriegsbegeisterung, der vor fast 70 Jahren die Welt in eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes gestürzt.
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Naziläden dichtmachen!
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