links-lang fetzt!

Lazy, Hazy, Crazy

Zur Unfähigkeit gewöhnlicher Deutscher, auf die Arbeit zu scheißen. Aufruf der Antifa Rostock zur Sabotage des Naziaufmarsches in Neubrandenburg am 01. Mai 2005.

15.04.2005

Plakat der Antifa Rostock
Plakat der Antifa Rostock, 600x843, 144 KB
Aufruf der Antifa Rostock
Aufruf der Antifa Rostock als pdf-Datei, 239 KB
Wir dokumentieren hier einen Text der Antifa Rostock.

Wieder einmal wollen Neonazis in Neubrandenburg aufmarschieren. Und wieder einmal greifen sie dabei auf soziale Themen zurück. Ging es bei ihren vergangenen Auftritten in Neubrandenburg um Hartz IV, wollen sie diesmal den 01. Mai als Arbeiterkampftag zum Anlass nehmen, um für "Volksgemeinschaft" und "nationalen Sozialismus" zu werben. Die Mecklenburgische Aktionsfront und das Soziale und Nationale Aktionsbündnis Pommern beschwören in ihrem Aufruf gegen die herbeihalluzinierte Bedrohung durch "Spekulanten" und "Billiglohnarbeiter aus dem Ausland" Volksgemeinschaft und Blut und Boden - Ideologie. Schlagworte, die die Rechte schon seit mehr als hundert Jahren zur Beantwortung der sozialen Frage anführt.

Sie sieht ihr Heil in einem Volk aus Ackerbauern und Industriearbeitern, die Hand in Hand mit dem Unternehmertum für das nationale Wohl arbeiten. Die Dorfgemeinschaft mit ihren Traditionen soll das Leben auf der ländlichen Scholle bestimmen. So wähnt sich das völkische Idyll permanent durch globale Einflussnahme bedroht. Dabei spielt nicht nur die Paranoia eine Rolle, Wohlstand mit anderen teilen zu müssen. Aspekte des Zivilisationsfortschritts, zu denen auch veränderte Beschäftigungslagen zählen, werden mit dem "raffenden Kapital" assoziiert. Jenes gilt als Transporteur der Moderne und des Fortschritts - Konzepte, die gerade in Krisenzeiten von einem Großteil der Bevölkerung als bedrohlich empfunden werden. Das "globale Finanzkapital", das einerseits auf Gewinn orientiert sei, ohne an das Gemeinwohl zu denken, und andererseits liberales Gedankengut, Ideen von Freiheit und Wohlstand, in die Bevölkerung tragen würde, wird hier als Bedrohungsprojektion wirksam.

Eine solche Sichtweise des Kapitalismus, die negative Erscheinungen der abstakten Ordnung auf missliebige Personen überträgt, kommt dem weit verbreiteten Wunsch nach einfachen - und falschen - Erklärungen für komplexe Zusammenhänge entgegen. Die Unfähigkeit des bürgerlichen Subjekts, die Arbeit als repressives Moment zu begreifen, führt zur Verinnerlichung und somit Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse. Die dem kapitalistischen System immanenten Tatbestände werden als Widersprüche behandelt, denen durch einen nationalsozialistischen Systemwechsel zu begegnen sei. Der "nationale Sozialismus", welcher als Erretter dieser Zustände von den Rechten proklamiert wird, hat jedoch nicht die Abschaffung des Kapitalismus und damit eine Kritik der Arbeit an sich zum Ziel. Vielmehr offenbart rechte Kapitalismuskritik ein völliges Unverständnis ökonomischer Zusammenhänge. Es wird die Vollzeit-Arbeitsgesellschaft des Nachkriegs-Fordismus zurückgesehnt und mit einem blutsverbundenen nationalen Gemeinschaftsgefühl gekoppelt.

Der Mangel an Arbeit im Spätkapitalismus stürzt jedoch nicht nur rechte Arbeitsfanatiker in die Krise. Die gesamte deutsche Gesellschaft ist dem Wahn erlegen, dass erst die Arbeit den Menschen zum Menschen macht; wer keiner Tätigkeit nachgeht, gilt als Schmarotzer am Gemeinwesen. In der Huldigung der Arbeit als identitätsstiftendes Massenbewusstsein reihen sich wichtige Elemente der verordneten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ein. Teile dieses deutschen Arbeitswahns sind das Nicht-Verlernen des Arbeitens und die Botschaft an die Bevölkerung, dass hierzulande jede/r für sein Brot arbeiten muss - wie unsinnig oder unwirtschaftlich die Zwangsmaßnahmen auch sein mögen. Vor allem die Vorstellung, dass die Aufhebung der Arbeit - als eine Konsequenz gesellschaftlichen Fortschritts - auch zu Lohn ohne Mühen führen kann, ist dem Deutschen verhasst. Der kollektive Zwang, ständig beschäftigt zu sein, kann außerdem als Beleg angeführt werden, sich der Verantwortung der deutschen Vernichtungsgeschichte nicht stellen zu müssen. Mit einem Eifer, der Verdrängung und Vergessen zum Ziel hat, strebt der Deutsche nach höchstmöglicher Ablenkung, die er in der Vollzeitbeschäftigung sucht und manchmal auch findet. Die "Arbeitslosenkeule" schwingend wird für den Deutschen der Mangel an Arbeit zur rhetorischen Waffe gegen jede Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und aktuellen Formen rechter Ideologie. Arbeitslosigkeit fungiert quasi als Universalie - sowohl zur Entschuldigung vergangener Taten als auch heutigen Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus.

Der Kreis schließt sich, wenn zudem die Politik von Unternehmen "nationale Verantwortung" einfordert. Oberste Maxime unternehmerischen Handelns solle nicht der Profit, sondern das Wohl des Volkes sein. Kapitalismus allerdings funktioniert bekanntermaßen anders. Die ihm immanente Maximierung des Gewinns macht weder vor nationalen Grenzen noch althergebrachten Traditionen halt. Sie macht jeden Menschen zum Verkäufer seiner Arbeitskraft, macht die zärtlichsten Volksgenossen zu Konkurrenten um den Erfolg. Statt Nicht-Arbeiten als Chance zu betrachten, wird Arbeitslosigkeit hierzulande als Bedrohung eines nationalen Ganzen verstanden.

Doch selbst wenn eine Entnationalisierung der Arbeit in Aussicht stände, bliebe eine Orientierung am gesellschaftlichen Wert der Arbeit immer noch zu kritisieren.

Die Antwort auf die Folgen kapitalistischer Abhängigkeitsverhältnisse kann nicht die Rückkehr zum spartanischen Leben in der ländlichen Großfamilie sein. Dort, wo der Kapitalismus in seinem Versprechen nach Reichtum und Wohlstand nationale Identitäten, Traditionen und familiäre Bindungen zersetzt hat, gilt es für uns weiter zu machen. Der Umsturz aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist, bedingt nicht nur die Abschaffung feudaler völkischer Wunschvorstellungen, sondern auch die Aufhebung der Reduzierung des Menschen auf Wert und Ware. Damit Wohlstand für alle kein Versprechen, sondern Realität wird.

Gegen Volksgemeinschaft und (Standort)Nationalismus!
Luxus zum Standard machen!
Deutschland abschaffen!