"Wir spielen nicht mit!"
Als Teil ihres Kommunalwahlkampfes will die NPD am Sonnabend in Stralsund ein "Kinderfest" veranstalten. Antifaschistische Gruppen haben eine Gegenkundgebung angemeldet.
27.05.2004
Das Programm der NPD in Vorpommern gleicht einem Wanderzirkus. In Greifswald gab sich die Partei Mühe, ein Potpourri rechtsextremer Aktivitäten aufzutischen, bis dann der Kreisvorsitzende Maik Spiegelmacher verhaftet wurde. Nun werden die bekannten Konzepte in Stralsund von dem Kreisverband um den örtlichen Möchtegernchef Dirk Arendt aufgewärmt. Doch statt im Knast will der in der Kommunalvertretung landen.
Mit dem Wegfall der 5%-Hürde bei den Kommunalwahen am 12. Juni könnte das Arendt, dem Parteigenosse Bernd Flotow beisteht, durchaus gelingen. Also wartet die Partei mit diversen werbenden Aktionen in der Stralsunder Öffentlichkeit auf. Nachdem bereits neben einigen Infoständen am 08. Mai die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands vor 59 Jahren betrauert und einen Tag darauf Blumen zum Muttertag verteilt wurden, steht am kommenden Sonnabend ein "Kinderfest" an. Von 12 bis 18 Uhr will man in der Brunnenaue den Stralsunder Kindern NPD-Luftballons und eine Zukunft geben.
Doch im Gegensatz zu vergangenen Malen haben Antifaschist/innen Proteste gegen die Faschos angekündigt. Ein Bericht bei indymedia verrät, dass zeitgleich zum Fest eine Kundgebung gegen Rechts in dessen Nähe am Knieperdamm, Ecke Hainholzstraße angemeldet worden ist. "Vermiesen wir den Nazis den Appetit an Bratwurst und Süßigkeiten", heißt es unter der Überschrift "Wir spielen nicht mit!".
Proteste in ihrer Stadt, das kennen die NPD-Kader gar nicht. Aber Zeit wirds. Auch, dass den potentiellen Besuchern des "Kinderfestes" klargemacht wird, wo die Zukunft ihres Nachwuchses liegt, wenn sie ihre Kinder der NPD anvertrauen: Bei versoffenen Parteistammtischen, hohlköpfigen Demonstrationen oder, Spiegelmacher macht es vor, schlichtweg im Gefängnis.
Wir spielen nicht mit!
27.05.2004
Der ankündigende Text antifaschistischer Gruppen zur Kundgebung.
Bratwurst, Glücksrad, Volksgemeinschaft
Inzwischen zum dritten Mal in Folge versucht die rechtsextreme NPD mit einem Kinderfest in der Stralsunder Brunnenaue auf sich aufmerksam zu machen.
Mit etlichen Spielen, Preisen und Essen wollen die Nazis Kinder und Eltern anlocken, um sie "für ein paar Stunden dieser tristen und kinderfeindlichen Zeit (zu) entreißen", wie es nach dem letztjährigen NPD-Kinderfest hieß.
Dabei versucht die Partei seit dem Ende der Neunziger Jahre in Mecklenburg-Vorpommern durch etliche solcher Veranstaltungen in Stralsund, Greifswald und Rostock breitere Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Sie wollen als bürgerliche Normalität begriffen und gesehen werden, und dabei kulturelle Hegemonie schaffen. Auch verstehen sich die Macher um den Stralsunder NPD-Funktionär Dirk Arendt als sozialer Faktor im strukturschwachen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, wenn sie "kostenlose Kinderbekleidung" und Preise an "Kinder aus einer sozialschwachen Familie" verteilen und, wie im letzten Jahr, unter dem heuchlerischen Motto "Die Zukunft gehört unseren Kindern, also kümmern wir uns darum" auftreten.
Was für eine Ideologie dahinter steckt, ist klar: Die Nazis betreiben durch solche Kinderfeste und ihre angeblich kinderfreundliche Haltung rassistische, antiemanzipatorische sozialdemagogische und völkische Politik, denn Kinder nichtdeutscher Herkunft sind nicht nur an den Bratwurstständen nicht erwünscht. Frauen sollen lieber Kinder gebären und sich um diese kümmern, statt selbst entscheiden zu können, wie sie ihr Leben bestreiten. Wenn eine Frau schwanger ist und abtreibt, so ist dies laut NPD Mord, denn die Partei ist strikte Abtreibungsgegnerin.
Die rechtsextreme Partei versteht sich als antikapitalistisch, frei nach dem Nationalrevolutionär Gregor Strasser (1892 - 1934), der dem Nationalsozialismus der NSDAP einen antikapitalistischen und sozialrevolutionären Anstrich verpassen wollte. Dass die Nationaldemokraten keineswegs etwas gegen Ausbeutung, Leistungsgesellschaft und Wirtschaftseliten hat, sondern nur das deutsche sogenannte "schaffende Kapital" gegen das ausländische "raffende Kapital" schützen will und somit eindeutig antisemitische Stereotype verwendet, wird schnell deutlich.
Auch sind Nazis keineswegs soziale Menschen, die für andere etwas übrig haben, wie die drei Mörder des Obdachlosen Eckart Rütz bewiesen , der in der Nacht zum 25. November 2000 in Greifswald starb, weil er "dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegt", so ein Schüler. Die Täter, die sich aus dem Umfeld der lokalen NPD-Kreisverbände rekrutierten, erhielten mehrjährige Haftstrafen.
Auf derlei Feste verzichten wir!
"Man muss so handeln, dass man in einem Meer von Sympathie schwimmt, dass die 'normalen' Bewohner für uns 'die Hand ins Feuer legen'", wie in einem Strategiepapier einer NPD-Vorfeldorganisation zu lesen ist, in dem der Kampf um Strassen, Köpfe und Parlamente propagiert wird. Die Sympathie hält sich noch in Grenzen, der Widerstand gegen die Bestrebungen der NPD leider auch.
Deswegen stehen wir heute hier und fordern alle auf, sich zu solidarisieren mit all denjenigen, die mit alltäglichem Rassismus und Diskriminierung auf der Strasse und in den Behörden konfrontiert werden. Es sind nämlich keineswegs fehlgeleitete Jugendliche, die unter Alkoholeinfluss Nicht-Deutsche, Obdachlose, alternative Jugendliche und andere missliebige Menschen durch die Strassen jagen, sondern kaltblütige Nazis, die durch ihre Taten lediglich ihr Weltbild offen zur Schau tragen und umsetzen.
Wir überlassen den Nazis weder Straßen noch Wiesen, weder in Stralsund noch anderswo!
Wir spielen nicht mit, wenn die NPD zum Eierlaufen ruft!
Wir sind laut, wenn "deutsches Liedgut" angestimmt wird!
Und wir sehen nicht ein, dass Nazis zur Normalität gehören sollen!
Vermiesen wir den Nazis den Appetit an Bratwurst und Süßigkeiten.
Die NPD wird nicht aufhören mit ihren Kinderfesten, bis ihr gezeigt wird, dass ihre Demagogie nicht erwünscht ist und sie kein Fundament für ihre menschenverachtende Politik hat.
Kein Kinderfest! Ohne uns!
Wir spielen nicht mit!
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