links-lang fetzt!

Kein Hans-von-Ohain-Terminal in Rostock-Laage

Offener Brief des Rostocker Friedensbündnisses zu einer geplanten Terminal-Benennung des Flughafens Rostock-Laage.

05.04.2004

Offener Brief des Rostocker Friedensbündnisses vom 31.3.2004

An den Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Dr. Harald Ringstorff,
an den Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock, Herrn Arno Pöker,
an die Leitung des Flughafens Rostock-Laage,
an die Fraktionen des Landtags des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
an die Fraktionen der Bürgerschaft der Hansestadt Rostock,
an die Vertreter der Medien

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

wie wir erfahren haben, ist geplant, dem 2005 zu eröffnenden neuen Terminal des Flughafens Rostock-Laage den Namen "Hans von Ohain" zu geben. [1] Wir wenden uns gegen dieses Vorhaben.

Dr. Hans Joachim Pabst von Ohain (1911-1998) war ein Mensch, dessen wissenschaftliches Werk hohe Achtung verdient. Er ist einer der Erfinder des Düsenantriebs. Gefördert von dem Rostocker Flugzeugkonstrukteur Ernst Heinkel, entwickelte er das Turbo-Strahltriebwerk HeS 3 B, für das das Flugzeug des Typs He-178 gebaut wurde und 1939 in Rostock seinen ersten Testflug absolvierte. Das erste strahlgetriebene Jagdflugzeug wurde 1941 die He-280. [2]

Das Reichsluftfahrtministerium förderte die Entwicklung von Düsenflugzeugen mit Antrieben nach dem Vorbild von Hans von Ohains Erfindung. [3] Eine Weiterentwicklung von Hans von Ohains Strahltriebwerk wurde in der ab 1942 gebauten Messerschmitt-Maschine Me-262 A, dem ersten deutschen düsengetriebenen Kampfflugzeug, verwendet. Auf ihrer Grundlage entstand das Bombenflugzeug Me-262 A 2A "Sturmvogel" [4].

Von 1936 bis Kriegsende war von Ohain für Heinkel tätig, zunächst in Rostock, ab 1942 in den Heinkel-Hirth-Werken in Stuttgart. [5]

Bei der Produktion der Heinkel-Flugzeuge wurden in den Kriegsjahren Fremd- und Zwangsarbeiter, vor allem und in einem größeren Umfang als in jedem anderen deutschen Unternehmen KZ-Häftlinge [6], eingesetzt. Diese Maschinen trugen damit nicht nur zur Zerstörung von Menschenleben und materiellen Werten aus der Luft bei, sondern verbinden sich auch im Erleben der Opfer des Faschismus in deutscher Gefangenschaft mit Tod und Vernichtung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hans von Ohain im Rahmen des "Project Paperclip" in die USA gebracht und konnte dort eine zweite Karriere beginnen. Ebenso, wie die Arbeit anderer deutscher Forscher für die Entwicklung der sowjetischen Raketentechnik ausgenutzt wurde, nutzte von nun an die U.S. Air Force Hans von Ohains Wissen und Erfindungsgeist für ihre Zwecke. [7]

Man kann Hans von Ohain nicht den Vorwurf machen, selbst nationalsozialistische Parteipolitik betrieben zu haben. Aber er ließ es zu, dass seine Erfindung in den Dienst der Rüstungsproduktion des nationalsozialistischen Deutschlands gestellt wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg der Wiederaufrüstung diente. Zur Zeit seiner Erfindungen sprach man noch nicht von Technikfolgenabschätzung und Ethik in der Wissenschaft - aus gutem Grund. Die Diskussion um diese Begriffe muss aber heute beginnen, und sie wird von breiten Kreisen der Gesellschaft immer lauter eingefordert.

Wir halten es nicht für angebracht, einen Teil des Flughafens, auf dem unser Bundesland Gäste aus dem In- und Ausland begrüßt, nach Hans von Ohain zu benennen. Die Errichtung des neuen Terminals wird mit vom Land Mecklenburg-Vorpommern mit öffentlichen Geldern im Umfang von 19 Millionen Euro gefördert. [8] Wir fordern eine öffentliche Diskussion über einen Namen für diesen Terminal. Die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns sollen stolz sein auf Menschen, die in ihrem Land Großes leisten und geleistet haben. Aber sie haben auch ein Recht darauf, sich mit Namen präsentieren zu können, die eine Botschaft des Friedens und der Toleranz in die Welt tragen.

Mit freundlichen Grüßen
Rostocker Friedensbündnis
E-Mail: rostocker-friedensbuendnis@web.de
www.rostocker-friedensbuendnis.de

[1] Flugplan des Flughafens Rostock-Laage, S. 17, und Homepage des Flughafens (www.rostock-airport.de/site/managed/html/service.html; www.rostock-airport.de/site/managed/html/3_2_23.html)

[2] modellbauportal/pageo/de/Redaktionelles/20020527153200 (Artikel von Volker Koos); Meher-Homji, C.B.; Prisell, E.: Pioneering Turbojet Developments of Dr. Hans von Ohain - From the HeS 1 to the HeS 011. In: Journal of Engineering for Gas Turbines and Power 122(2000)2, hier: S. 197, 201

[3] www.faqs.org/docs/air/avme262.html (Material aus einem Buch mit dem Titel "Warplanes of the Luftwaffe" - Hrsg.: David Donald -, seinerseits mit vielen Quellenangaben); Die Erfindungen des Hans Joachim Pabst von Ohain. In: Redieck, Matthias; Schade, Achim: Bedeutende Erfindungen aus Mecklenburg und Vorpommern. Rostock: Redieck & Schade, 2000, hier: S. 67; Meher-Homji, C.B.; Prisell, E.: Pioneering Turbojet Developments of Dr. Hans von Ohain - From the HeS 1 to the HeS 011. In: Journal of Engineering for Gas Turbines and Power 122(2000)2, hier: S. 198

[4] www.firstflight-org/shrine/hans_von_ohain.cfm (Homepage der First Flight Society - "Commemorating the First Flights of the Wright Brothers" - ); www.faqs.org/docs/air/avme262.html

[5] Die Erfindungen des Hans Joachim Pabst von Ohain. In: Redieck, Matthias; Schade, Achim: Bedeutende Erfindungen aus Mecklenburg und Vorpommern. Rostock: Redieck & Schade, 2000, hier: S. 68; Meher-Homji, C.B.; Prisell, E.: Pioneering Turbojet Developments of Dr. Hans von Ohain - From the HeS 1 to the HeS 011. In: Journal of Engineering for Gas Turbines and Power 122(2000)2, hier: S. 197-198, 201

[6] Helmut Reuter: Heinkel - Erfinder oder NS-Verbrecher? In: Ostsee-Zeitung, 19.1.04 (hier: Zitat aus einem Gutachten des Bochumer Historikers Lutz Budraß zur Rostocker Heinkel-Ausstellung)

[7] http://en.wikipedia.org/wiki/Hans_von_Ohain; http://en.wikipedia.org/wiki/Project_Paperclip; www.firstflight-org/shrine/hans_von_ohain.cfm (Homepage der First Flight Society - "Commemorating the First Flights of the Wright Brothers" - ); www.enginehistory.org/book_reviews.htm (Rezension der Ohain-Biographie "Hans von Ohain - Elegance in Flight"); Die Erfindungen des Hans Joachim Pabst von Ohain. In: Redieck, Matthias; Schade, Achim: Bedeutende Erfindungen aus Mecklenburg und Vorpommern. Rostock: Redieck & Schade, 2000, hier: S. 68; Meher-Homji, C.B.; Prisell, E.: Pioneering Turbojet Developments of Dr. Hans von Ohain - From the HeS 1 to the HeS 011. In: Journal of Engineering for Gas Turbines and Power 122(2000)2, hier: S. 201

[8] mündliche Information von Dr. Gerhard Bartels, Bildungspolitischer Sprecher der Fraktion der PDS im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, auf einer Diskussionsveranstaltung zur Zukunft der Hochschulen des Landes an der Universität Rostock am 13.2.04