Passive Aktivität gegen Neonazis
In Neubrandenburg rufen Kirche und CDU womöglich zu Sitzblockaden auf
01.04.2004
|
Neubrandenburger Kirche, 600x450, 160 KB |
|
Neubrandenburger Telefonzelle, 600x800, 242 KB |
|
Flugblatt, 600x849, 324 KB |
|
Flugblatt, 600x860, 351 KB |
|
Aufkleber, 600x413, 169 KB |
Protest statt Ignoranz! signalisieren Plakate im Neubrandenburger Stadtbild von Wänden und Litfass-Säulen. Ein klares Statement kurz vor der Neonazi-Demonstration am Samstag in der Vier-Tore Stadt. Wohl nötig - sorgten doch Äußerungen von Christen und Christdemokraten in den letzten Tagen für Verwirrungen. CDU-Ratsherren und Kirchgemeinden nämlich rufen zur aktiven Passivität auf und wollen es den Ultra-Rechten aus Berlin, Vorpommern und Mecklenburg-Strelitz damit so richtig zeigen. Das Wortspiel ist natürlich völliger Unsinn, wie etwa weisse Schwärze, laute Stille, soziale Marktwirtschaft und so weiter. Nur ganz clevere Neubrandenburger/innen werden in dem Widerspruch das Richtige sehen: aktiv auf die Straße gehen und dort in Passivität womöglich sitzend verharren - bis der braune Marsch seine schwarze Fahne wieder einpackt und sich trollt.
Eine wohlmeinende Interpretation, denn die Aktivität dieser Aufrufer beschränkt sich darauf, ins Kirchensäckel zu greifen und sich von einer Werbefirma Transparente für ihre Gotteshäuser herstellen zu lassen. Ansonsten freuen sich sicher viele, welch wohlklingenden Slogan sie mit der "aktiven Passivität" für das gefunden haben, was sie auch sonst gegen Rechts tun - nämlich nichts.
Eine Auseinandersetzung mit Themen, Strukturen und Methoden der marschierenden Neonazis fehlt fast völlig. Auf den Kirchenbannern beispielsweise wird gar nicht mehr erwähnt, dass es um eine Demo von Antisemit/innen, Rassist/innen und Nationalsozialist/innen geht. Otto Schulz von der CDU-Ortsgruppe behaupt allen Ernstes die Rechten würden nicht wieder kommen, wenn man sie bloß nicht beachte. Herr Schulz brauch nur mal durch die Stadttore nach Burg Stargard, Ducherow und Ueckermünde schauen, um zu sehen wie erfolgreich dort wegignoriert wird. Und Herr Schulz sollte sich informieren. Denn die Neonazis wollen ihr Engagement in Neubrandenburg verstärken. Die Stadt sei "noch eine Hochburg des antideutschen Pöbels und muß endlich als Festung der Linken fallen". Für die Zukunft kündigen sie "Propagandaaktionen" an, um "neues Potenzial zu erreichen und dieses für unseren Freiheitskampf zu aktivieren".
Vielleicht gefällt diese Vorstellung ja auch einigen in der Stadt. Zumindest scheinen einige mit der einheimischen Jugend nicht ganz zufrieden zu sein. Datenbanken gegen Sprayer, Kameras und Polizei für Sauberkeit in der Innenstadt... Die Clique um Bürgermeister Krüger sieht demzufolge auch das Hauptproblem in den Gegendemonstrant/innen. Die Truppe vom Law&Ordnungsamt versuchte zuletzt vor Gericht einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht zu konstruieren, weil ein Umzug für die Rechte von Flüchtlingen ein paar Meter auf der Straße und nicht auf dem Bürgersteig stattfand. Auch jetzt vor dem dritten April wird jeder Aufruf zum Protest in Gewalt umgedeutet und fieberhaft nach Schuldigen gesucht. Experten wie der Eskalations-, nein der Präventionsbeauftragte der Stadt, deren Strassen-Kompetenz sich im Lesen von Gästebüchern erschöpft, reden den Krawall regelrecht herbei. Auch der Bürgermeister wünschte sich härteres Vorgehen.
Bislang scheiterte ihr Szenario vor allem aber an den Gegendemonstrant/innen selbst, die zu großen Teilen nicht so recht dem Gewalt-Klischee entsprechen und sich auf lautstarken Protest und friedliche, aber effektvolle Straßenblockaden konzentrierten. Und: die AntifaschistInnen haben auch weiter jedes Recht gegen Naziaufmärsche zu protestieren. Der Tod eines Behinderten in Neubrandenburg nach den Tritten eines Rechten, Übergriffe auf nichtdeutsche Neubrandenburger/innen, antisemitische Propaganda, Hetze gegen Flüchtlinge, Verherrlichung des Nationalsozialismus in etlichen Städten - Gründe genug um auf die Straße zu gehen. Wer schweigt, stimmt zu!
Links
Sonderseite zum Neonaziaufmarsch in Neubrandenburg am 03.04.2004
die nebenstehenden Dingers wurden in Neubrandenburg gesehen und werden hier dokumentiert ;-)
|