09.07.2002
Verschwörtes Unrecht gegen das "Deutsche Reich" - Neonazi Manfred Roeder muß hinter Gitter
Es gibt Dinge, die schwer zu glauben sind. Immer wieder predigen Neonazis den Schmarn einer jüdischen Weltverschwörung mit all dem, was so dazugehört, alls wenn sie ihre Existenz tatsächlich für wahr halten. Wie wenig geschlossen dieses Weltbild jedoch ist, wenn es darauf ankommt, und wie die angeblich einsamen Kämpfer gegen den "Judaismus" sich dann in Widersprüche verstricken, ist immer wieder überraschend.
So gibt der vor einer Woche zu Ende geführte Prozeß gegen Manfred Roeder einige Einblicke in dessen Sicht auf die Dinge. Der 73-jährige wurde am 2. Juli vom Rostocker Landgericht wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, wie Presseagenturen berichten; die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und die Verteidigung Freispruch gefordert. Eine Bewährungsstrafe kam wegen des langen Vorstrafenregisters - nähere Infos beim IDGR - "nicht in Betracht".
Es ging bei dem Prozeß um eine Rede beim Bundesparteitag der NPD im Januar 1998 in Stavenhagen. Dort gab Roeder vor 170 Delegierten sowie vielen Besuchern und Journalisten zum Besten, daß Deutschland einen "Umsturz", einen "Regierungswechsel ohne Wahlen", nötig hätte.
Einen "von oben" befohlenen Anschlag halluzinierte er herbei, als er im Rahmen eines Protestes gegen eine "Mahnwache" gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht verletzt wurde.
Die Verurteilung dieser beiden Äußerungen durch das Landgericht Rostock im Juni 2001 als Verunglimpfung des Staates wurde vom Bundesgerichtshof aufgehoben, da sie entweder von der Meinungsfreiheit gedeckt seien oder im Falle des "Anschlags" der Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt worden sei.
Hetze gegen die Zuwanderung von "Rußlandjuden" sowie die Äußerung: "Jeder, der gezielte Rassenvermischung betreibt, ist ein gottloser Lump, ein Teufel" als auch die Bezeichnung des damaligen Vorsitzendes des Zentralrates der Juden, Ignatz Bubis, als "Großmaul" und "Gauleiter Bubis" wurde vom Rostocker Gericht als Volksverhetzung und Beleidigung verurteilt und auch vom Bundesgerichtshof nicht beanstandet. Die beiden Straftatbestände mußten jedoch wegen der Aufhebung des Urteils neu verhandelt werden.
Während Roeder eine Aussetzung des Prozesses beantragte, da er sich nicht als Bürger der Bundesrepublik, sondern des "Deutschen Reiches" fühle und insofern ein noch zu gründendes Reichsgericht für ihn zuständig sei, schien er das bundesrepublikanische Rechtssystem doch gutzuheißen, als es um die Revision des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof ging. Wenig konsequent. Doch er machte weiter auf Neonazi, als er etwa an der Theorie eines Geheimabkommens zwischen Helmut Kohl und Heinz Galinski, dem ehemaligen Vorsitzendes des Zentralrates der Juden, zur "Rassenvermischung" festhielt. Oder seine Äußerungen mit seiner Rolle als von einem paar Dutzend Nazis gewählter Abgeordneter einer Nationalversammlung des "Deutschen Reiches" und somit Interessenvertreter dessen rechtfertigte. Das letzte Stückchen Reputation beim Gericht dürfte er verloren haben, als er den Richter als "Henker" bezeichnete. Der NPD- und HNG-Anwalt Peter Stöckicht aus Laage bei Rostock, der auch schon den Obdachlosenmörder Gunnar Doege verteidigte, versuchte gar nicht erst, seinen Klienten seriös erscheinen zu lassen.
Aus dem neonazistischen Lager gibt es derweil kräftige Rückendeckung. Im rechtsextremen stoertebeker.net fabuliert Axel Möller von einer "Menschenjagd" und einem "juristischen Kesseltreiben". Seine formell nicht ausreichende Prozeßentschuldigung aus Gesundheitsgründen, der die Prozeßvorführung folgte, wird als schwerwiegendes Unrecht ausgelegt, während seine antisemitischen Tiraden mit Roeders "aufbrausendem Temperament" entschuldigt werden. Der Artikel endet passenderweise mit der implizierenden Frage, ob nicht durch Roeders Bezeichnung von Ignatz Bubis als "Gauleiter" Nationalsozialisten beleidigt werden.
Eins fällt nicht schwer zu glauben: mit kruden Verschwörungstheorien und antisemitischer Hetze ist man im neonazistischen Lager in bester Gesellschaft.
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