09.07.2002
Neonazi-Konzert bei Hagenow aufgelöst - Polizei verhinderte nach Hinweisen Open-Air mit zehn Fascho-Bands
Auf die Nase zu bekommen, wenn mensch nur ein Konzert besuchen will, ist nicht schön. Doch noch schlimmer ist es, Hass auf und Gewalt gegen alles Un-Deutsche zu predigen, Rassismus und Antisemitismus zu feiern. Genau das wollten jedoch mehrere hundert Neonazis tun, als sie sich am Sonnabend auf den Weg zu einem geplanten Open-Air in Scharbow bei Hagenow machten. Das wußte die Polizei jedoch nach Hinweisen von AntifaschistInnen und medialem Interesse zu verhindern. Die zuständigen Behörden verboten das Konzert und alle Ersatzveranstaltungen im westlichen McPomm, Zufahrtswege wurden von der Polizei kontrolliert und Schleuserpunkte aufgelöst.
Da half auch der Weg zu Fuß nichts: an die 300 Neonazis verließen am Samstagabend ihre Autos und machten durch Äcker und Wälder auf nach Scharbow, nachdem an ein geordnetes Durchkommen nicht zu denken war. Sie wurden jedoch von 150 Polizisten unter Einsatz von Gewalt zurückgedrängt. Drei Personen wurden festgenommen, mehrere Strafanzeigen wegen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, des Verwendens verfassungswidriger Symbole und Beleidigung aufgenommen, wie die Polizei mitteilt.
Sie konnte jedoch nicht verhindern, daß die sich schon in Scharbow befindenden Rechts-Rock-Bands vor anwesenden 150 Neonazis aufspielten. Erst später ließ die Polizei das Konzert beenden. Für AntifaschistInnen unverständlich: sie kritisieren, daß die Polizei schon im Verlauf des Vormittags vom Konzertort erfahren habe, jedoch erst nach öffentlichem Druck eingeschritten sei.
Denn auch eine große Vorbereitungszeit hatten die Beamten: schon wochenlang ist bekannt gewesen, daß Neonazis aus dem Umfeld des inzwischen geschlossenen "Clubs 18" auf Rügen ein Open-Air vorbereitet hatten. Die Polizei konnte allerdings den Eigentümer des Grundstücks auf der Insel dazu bewegen, seine Erlaubnis für die Veranstaltung zurückzuziehen.
Daraufhin sollte es auf dem Gelände des Neonazis Jürgen Witt stattfinden. Dort hatte der Verein "Freie Deutsche e.V.", dessen Vorsitz Witt innehat, bereits am 21. Dezember 2001 eine Sonnenwendfeier und am 25. Mai 2002 einen "Wikingerwettkampf" veranstaltet. Witt hatte zudem die Fascho-Demo "Gegen linke Gewalt und Faschismus- für Toleranz gegenüber Andersdenkenden!" am 24. Februar 2002 in Parchim angemeldet sowie eine Demonstration von "freien Nationalisten" und NPD unter dem Motto "Meinungsfreiheit auch für nationale Bürger!" am 18. August 2001 in Hagenow unterstützt. Witt, vor seinem Umzug nach Mecklenburg-Vorpommern im Umfeld der neonazistischen Säuerländer Aktionsfront (SAF) aktiv, ist es nach Angaben der Jungle World "gelungen, eine rund 20köpfige Gruppe von jugendlichen Rechtsextremisten um sich zu scharen."
Von Neonazi-Konzerten geht nicht nur die Gefahr der propagandistischen und die Szene stabilisierenden Wirkung aus. Für Nachbarn und besonders Menschen zweiter Klasse im faschistischen Weltbild, MigrantInnen, nicht-rechte Jugendliche oder AntifaschistInnen, stellen von der Musik angeheizte Neonazis eine unmittelbare Gefahr dar. Aber auch der äußere Eindruck eines Ortes, in dem wiederholt rechte Veranstaltungen stattfinden können, ist wenig anreizend oder gar tourismusfördernd. Gründe, die das Innenministerium 1999 zur Veröffentlichung des sogenannten Konzerterlasses bewegten, der mit rechtlichen Hinweisen Behörden und Polizei das Vorgehen gegen faschistische Musikveranstaltungen erleichtert.
Aufgrund dieses Drucks ist es für Neonazis normal, ihre Konzerte konspirativ vorzubereiten. Das Konzert wird zum Beispiel als Geburtstagsfeier angemeldet, Besucher werden nur auf den Termin hingewiesen und dann über Schleuserpunkte zum Veranstaltungsort gelotst. Die Zahl von 15 bekannt gewordenen Nazi-Konzerten im Jahr 2001 in McPomm im Bericht des Verfassungsschutzes und einer zu vermutenden viel höheren Dunkelziffer zeigt, das das meist klappt. Wenn es nicht wie am vergangenen Sonnabend gelingt, den Nazis in die Suppe zu spucken.
|