links-lang fetzt!

16.03.2002
"Nur ein Toter mehr..." illustriert Alltagsrassismus in Deutschland

Folgenden Artikel erhielten wir über eine Veranstaltung in Neustrelitz und veröffentlichen ihn mal als Werbung für die Lesereise. Weitere Termine:
17. März - Greifswald - IKUWO, Goethestraße 1
18. März - Ludwigslust - Zebef, Alexandrinenplatz
19. März - Rostock - Café Median, Niklotstraße 5/6
20. März - Wismar - Tiko, Dr.-Leber-Straße 38
Beginn ist jeweils um 19 Uhr.


Eine zerbrochene Scheibe, Blutspuren, ein regungsloser Körper - in den Morgenstunden des 13. Februar 1999 verblutet der Algerier Farid Guendoul im brandenburgischen Guben, von Neonazis zu Tode gehetzt. Über die folgende öffentliche, politische und juristische Auseinandersetzung berichten Prozessbeobacheter in dem Buch "Nur ein Toter mehr..", das sie dieser Tage im Rahmen einer Lesereise in Mecklenburg-Vorpommern vorstellen.

Fünfzehn Menschen waren es, die am Freitag der Prozessbeobachtungsgruppe Guben bei der Lesung aus dem Buch im Neustrelitzer Club Mañana zuhörten. Und die waren - auch wegen eingebrachter eigener Erfahrungen - sichtlich mitgenommen. Denn die Ereignisse von Guben könnten sich an vielen Orten Deutschlands wiederholen, betonten die Autoren. Sie hätten sie vielmehr als Fallbeispiel für alltäglichen Rassismus betrachtet: Die Polizeibeamten, die dem farbigen Zeugen erst einmal Handschellen anlegen und seine Verletzungen nicht behandeln lassen. Die Verwaltung der Stadt, die eine Sozialarbeiterin wegen der Teilnahme an einer Gedenkdemonstration kündigt. Die Politiker, die angesichts neonazistischer Morde über linke Gewalt schwadronieren. Und die Verteidiger der Neonazis, die anhand rassistischer Stereotypen aus den Opfern Täter machen.

In der öffentlichen Diskussion in der Stadt, so erzählten die Autoren, wurde die Bevölkerung Gubens als Opfer einer Bedrohung von außen dargestellt: Schlagende Neonazis, nachfragende Journalisten und demonstrierende Linke seien es gewesen, die über die Stadt gekommen seien. Der Bürgermeister Gubens wurde wegen seines Engagements für die Betroffenen und für einen Gedenkstein abgewählt. "Der kümmert sich mehr um die Ausländer als um uns," konnte man, so hieß es, in der Stadt vernehmen.

Über den Umgang mit alltäglichem Rassismus wurde anschließend mit den Zuhörern diskutiert und die Frage in den Raum geworfen, ob nicht neben Aktivitäten von Neonazis gesellschaftlicher und staatlicher Rassismus, der Flüchtlinge zu Menschen zweiter Klasse degradiert und von den Lesenden als "Extremismus der Mitte" bezeichnet wurde, zu lange ignoriert wurde. Auch eigene Erfahrungen aus Neustrelitz und Umgebung wurden eingestreut.

Ihre Lust zu reden, so gab eine Zuhörerin jedoch zu, war wegen der Eindrücke der Lesung gedämpft. Zu sehr, meinte sie, hatte die Veranstaltung dargestellt, wie real die Bedrohung von Menschen, die sich nicht der Mehrheitsgesellschaft zuordnen wollen oder können, ist. Nicht nur durch Neonazis.

Das Buch "Nur ein Toter mehr... - Alltäglicher Rassismus in Deutschland und die Hetzjagd von Guben" ist im Unrast-Verlag in der Reihe antifaschistischer Texte erschienen und für 10 Euro erhältlich.