links-lang fetzt!

14.01.2002
Arbeitslose Anti-Antifa in Wolgast


Antifaschistischer Protest Chance für weitere Arbeit - Jugendlicher von Nazis angefahren

Ob es sie zufriedengestellt hat? Eindeutig kann die Demo der rechtsextremen Schülerinitiative in Wolgast am 12. Januar für die Nazis der Region in der Bewertung nicht gewesen sein. Ungestört konnten sie nicht durch die 12 000-Einwohner-Stadt marschieren, doch es regte sich auch kein Protest, der dem Aufwand der Nazis entsprochen hätte. Denn anstatt an der Demo teilzunehmen, in der Faschos aus Stralsund, Greifswald, Anklam, Rostock und auch Usedom und Wolgast mitliefen, fuhren oder liefen viele lieber in Anti-Antifa- oder Greiftrupp-Manier durchs Plattenbauviertel Wolgast-Nord.
Außer dem obligatorischen Fotografieren jedoch bekamen sie nix zu tun, denn die circa 50 Jugendlichen aus der Region, die die Nazi-Demo begleiteten, beließen es bei verbalem Protest. An einer Kundgebung gegen Rechts nahmen vorher 150 bis 200 Menschen teil und lauschten einer Band sowie vielen RednerInnen. "Höhepunkt" dieser Veranstaltung war das Steigenlassen dutzender bunter Luftballons, die zeigen sollten, daß Wolgast bunt und nicht braun ist.

Ob dem wirklich so ist, ist jedoch schwer zu beantworten. Es waren bis auf nicht-rechte Jugendliche eher wenige Wolgaster, die der Gegenveranstaltung beiwohnten. Daß es jedoch überhaupt möglich war, in der Stadt etwas auf die Beine zu stellen, und sich schließlich auch Stadtvertreter und Bürgermeister beteiligten, war, so die Veranstalter, vielversprechend. Durch die Ereignisse konnten sie zu engagierten Menschen aus anderen Städten Kontakt aufnehmen und sich austauschen und können langfristig Strukturen entwickeln, um vor Ort aktiv zu werden.
Das ist auch bitter nötig, denn Nazis können in Wolgast offen und ungeniert auftreten. Übergriffe gegen die nicht-rechte Jugendliche, so wird erzählt, sind Normalität und werden von den meisten Bürgern und der Polizei ignoriert. Laut Erkenntnissen der MAEX existieren in der kleinen Stadt drei Kameradschaften.
Sie scheinen nicht allzu viel Interesse an der Schülerinitiative zu haben. Nicht nur, daß ein Schuldirektor der Stadt im Nordkurier weiß, daß sich die örtlichen Teilnehmer der Demo während ihrer Schulzeit weniger mit Lerneifer denn mit dem Fernbleiben vom Unterricht hervortaten. Redner konnte oder wollte die örtliche Szene nicht stellen und auch der Initiative gelang es nicht, welche von ihrem angeblichen Ableger auf Usedom aufzutreiben. So mußten Lutz Dessau aus Rostock, ehemaliger Sport-Redakteur und nun NPD-Schreiberling, und Hannes Gerlach, NPD-Mitglied aus Greifswald, die üblichen Klischees von bösen PDS'lern / Lehrern / Juden / Amerikanern bemühen. Maiki Spiegelmacher hatten sie natürlich auch im Gepäck und Caroline Beetz, die Vorsitzende der Schülerinitiative, dürfte wie immer gemäß der Rolle der deutschen Frau für die Redner das Mikro halten.

Im Anschluß an die Demo wurde ein jugendlicher Punk von einem Nazi angefahren, der dann Fahrerflucht beging. Wie üblich stellt die Polizei die Tat in keinen Zusammenhang mit der Fascho-Demo, obwohl Zeugen berichten, daß der Fahrer des OVP-Autos extra in ihre Gruppe eingelenkt hat. Persönliche Motive, Übertreibung von Seiten des Opfers, das übliche Relativierungsmuster ostdeutscher Provinzbullen, mensch kennt das alles.

Für die Schülernazis ist die Demo auf ihrer Homepage Sprachrohr, die freundlicherweise auch gute Fotos bietet, natürlich ein Erfolg. Ob er ihren Zielen dienlich war, ist jedoch fraglich, denn er hat deutlich gemacht, daß sie außerhalb der Nazi-Szene niemanden erreichen. Und die örtlichen Kameraden haben sicherlich schon bessere Aufmärsche und aufregendere Gegenaktionen erlebt.
Für die AntifaschistInnen vor Ort jedoch ist die Gegenaktion eine Chance, kontinuierlich weiterzumachen. "Bei aller Differenziertheit ihrer Sichtweisen eint sie die Überzeugung, die Gefahr vom rechtsextremen Rand der politischen Szene nicht zu unterschätzen und ihr künftig noch stärker, vor allem aber gemeinsam zu begegnen," heißt es in der Ostseezeitung.

Hintergrundinfos über die Schülerinitiative auf der Seite über die Demo-Vorbereitung