links-lang fetzt!

05.12.2001
Gesamtgesellschaft gegen Rechts

Weltoffen, tolerant und bunt ist McPomm, wenn es nach der Landesregierung geht. So verbreitet nun Innenminister Gottfried Timm die Heilsbotschaft, daß die Zahl rechter Gewalttaten rückläufig sei. Bis Ende September wurden 25 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremen Hintergrund festgestellt, acht weniger als im Vorjahreszeitraum. Daraus leitet er eine Trendwende ab, die mit von einer verstärkten polizeilichen Arbeit gegen Rechtsextremismus verursacht wurde. Die Mobile Einsatzgruppe Extremismus (MAEX) ist an sogenannten "Brennpunkten des Geschehens", also bei öffentlichen Versammlungen von Nazis, vor Ort und schaut ihnen dort auf die Finger. Damit sind die Polizisten jedoch wenig mehr als Aufpasser - die auch mal das Bierglas halten - und verhindern ein allzu exzessives Ausleben rechter Ideologie. Die "rechte Szene" wappnet sich mit Rechtsschulungen, auf daß sie so an der letzten Grenze der Legalität agieren kann, und wird durch den vermeintlichen Verfolgungsdruck zusammengeschweißt.

Als weiteren Faktor benennt das Innenministerium das gesamtgesellschaftliche Umfeld. Damit meint es jedoch nicht das Desinteresse oder die Akzeptanz von Rechtsextremismus, der als Normalität oder eine Meinung im politischen Spektrum angesehen wird, das fehlende politisch ausgereifte Bewußtsein des Jugendlichen, der halt Schmarotzer scheiße findet oder für den "Chaoten" außerhalb der Gesellschaft stehen, oder die Eltern, die ihren Kindern Anzeigen bei der Polizei ausreden, um doch kein Aufsehen zu erregen. Vielmehr wird das Engagement in Schulen, in der Jugendarbeit oder Initiativen gegen Rechts vorgezeigt.

Diese Freiwilligen jedoch kritisieren Politik und Polizei. Die Teilnehmer des Civitas-Treffens vom letzten Wochenende in Göhren-Lebbin, die in allen Teilen des Landes gegen Rechtsextremismus agieren und durch das Bundesprogramm geeint werden, bemängeln nicht nur ein fehlendes Konzept der Landesregierung gegen Rechts. Hervorgehoben wird auch die Ignoranz der Polizei, die rechte Straftaten nicht als solche benennt oder öffentlich macht.
Neustrelitz dürfte zum Beispiel nicht der einzige Ort sein, in dem nur ein Drittel des das Tagesgeschehen zusammenfassenden Polizeiberichts an die Öffentlichkeit weitergeleitet wird. Auch Opfer rechter Gewalt haben berechtigte Zweifel an der Hilfe der Polizei. Neben der oftmals herablassenden Haltung Jugendlichen gegenüber werden Straftaten dort heruntergeredet oder wird der politische Hintergrund verschleiert - die Phrase "Auseinandersetzung zwischen Jugendgruppen /-cliquen" ist allgemein bekannt, bei wie vielen Körperverletzungen, Bedrohungen, Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder Diebstählen der politische Hintergrund außen vor gelassen wurde, wird schwer ans Licht der Öffentlichkeit gelangen.
Dieser schwierigen Arbeit hat sich LOBBI angenommen, eine Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt. Nicht nur wird Nazi-Gewalt als solche benannt, sondern wird Betroffenen auch Hilfe bei Gängen etwa zur Polizei gewährt.

Beiläufig wird der Umgang mit Nazi-Aufmärschen erwähnt. Nicht sollen alle antifaschistischen Kräfte auch mit Hilfe der Politik gegen Rechts mobilisiert werden, nein, "Aufmärsche, die nicht verboten werden können (also fast alle, li-la), müssten mit harten und konsequenten Auflagen von Gegendemonstrationen getrennt werden", heißt es in der SVZ. Der sowieso linientreuen Zivilgesellschaft wird das Vorgehen der Ignoranz vorgeschrieben, schön weit weg die üblichen "Zeichen gegen Extremismus" zu demonstrieren. AntifaschistInnen, denen es um das direkte Ver- oder Behindern von Fascho-Demos geht, haben diese Erfahrung in den letzten Monaten in Rostock und - versuchsweise - Greifswald machen müssen. Daß es jedoch nicht lange dauert, bis die Einsatzleiter des Landes von ihren Kollegen etwa in Berlin lernen, wo am 3. Oktober oder 1. Dezember Nazi-Demos weitläufig und komplett für Antifas abgeschirmt waren, liegt auf der Hand.

Es wird sich zeigen, ob die "Chaoten" (Timm nach dem Protest gegen den Nazi-Aufmarsch in Neubrandenburg am 14. Juli) die einzigen sein werden, die geheuchelten Antifaschismus kritisieren werden. Denn einmal in der Woche mit einer Sonntagsrede für Toleranz sein Gewissen zu beruhigen und sich über acht Straftaten weniger zu freuen, während woanders linken oder selbstverwalteten Jugendprojekten Gelder gestrichen, nicht-rechte Schüler gemobbt oder Flüchtlinge rassistisch behandelt werden, ist dann doch zu einfach.