24.09.2001
Mit Schwung ins Gestern - Kameradschaftsdemo in Rostock
Üble Geschichtsklitterei hatte sich in Gestalt von dreihundert Neonazis am 22. September nach Rostock verirrt. Doch auf die Inhalte kam es auch weniger an - BeobachterInnen rang die Forderung, die Ilja-Ehrenburg-Straße wegen eines herbeigelogenen Flugblattes mit der Überschrift "Tötet! Tötet!" lieber nach dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu benennen, nicht mehr als ein müdes Lächeln ab. Schließlich geht es um das Spektakel, das Erlebnis, mit anderen deutschen Recken Parolen skandierend durch die Straße zu ziehen. Vermeintliche Stärke zu beweisen. Dem "Feind", der ja bekanntlich der Rest der Welt ist, ins Auge zu blicken.
Von dem jedoch war am Sonnabend wenig zu sehen. Die Polizei hatte Toitenwinkel, den Ort des Aufmarschs der Kameradschaften, an der jedoch auch NPD-Vertreter teilnahmen, weiträumig abgesperrt; schon "Gruppen" von zwei Personen wurden Platzverweise erteilt. So blieben nur ein Friedensfest in der Innenstadt, auf dem man seine eigene Toleranz feiern konnte, und eine Musik-Parade im nahen Dirkow übrig. Während ersteres von etwa 1 500 Menschen besucht wurde, fanden sich nach Berichten nur 150 Leute in Dirkow ein. Die geringe Teilnehmerzahl hinderte sie jedoch nicht daran, guter Laune zur Musik der verschiedenen Wagen durch die Straßen zu ziehen.
Ein vorher vom Antifaschistischen Jugendbündnis angekündigtes Fest in Toitenwinkel selber mußte wieder abgeblasen werden, weil die Gewerkschaft ihre Anmeldung zurückgezogen hatte. Hierzu schien wesentlich eine von regionalen Politikern und der Polizei angeheizte Stimmung verantworlich gewesen zu sein, die den Jugendlichen pauschal Gewaltbereitschaft unterstellte. Auch das Bündnis "Bunt statt Braun" schwieg den Naziaufmarsch lieber tot. Zieht mensch es nun also schon in Bündnissen gegen Rechts vor, ein tolerantes Image der Heimat-Stadt vorzuspielen, während anderswo ungestört Faschisten marschieren können?
Ebenso ungestört waren die Nazis, die im Anschluß an die Demo in Gruppen die Stadt unsicher machten. Wie berichtet wird, machten sie Jagd auf Andersdenkende und verletzten mehrere Leute.
Nach dem Einsatz in Greifswald, wo AntifaschistInnen mit Sitzblockaden die Nazis zum Weichen zwingen konnten, ist das Konzept der Polizei einer totalen räumlichen Trennung nun in Rostock wieder aufgegangen. Mehr denn je bringt diese Erfahrung, die sicherlich auch bei den folgenden Aufmärschen in Greifswald und Stralsund gemacht werden wird, wieder den Gedanken an Aktionen in den Vordergrund, die sich am Drumherum von rechten Demos und nicht diesen selber orientieren. Schließlich ist selbst ein kleiner Nadelstich konsequenter als ein Antifaschismus, der nur schweigen kann.
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