links-lang fetzt!

"Gibt es Eiscreme auch für Nazis?"

Am vergangenen Sonnabend fand in Burg Stargard ein Stadtrundgang gegen einen rechtsradikalen Gemeindevertreter des Ortes statt.

13.05.2005

Norman Runge (links) bei Neonazi-Demo am 01. Mai in Neubrandenburg
Norman Runge (links) bei Neonazi-Demo am 01. Mai in Neubrandenburg, 600x450, 95 KB
Jungsturm Stargard bei Anti-Hartz-Protesten in Neubrandenburg
Jungsturm Stargard bei Anti-Hartz-Protesten in Neubrandenburg, 600x560, 90 KB
An die achtzig Punks, Skins, Antifas und andere Naschkatzen waren es am letzten Samstag, die in die allseits beliebte Eisdiele in Burg Stargard einkehrten. Nach erfolgtem Genuss wurde übereinstimmend festgestellt, dass neben Sonnenschein, Sex und Arbeitslosigkeit den Nazis auch kein lecker Eis zusteht.

Um diesem Ziel näher zukommen, wurde die Gelegenheit für einen Spaziergang durch die Kleinstadt genutzt. In Gesprächen wurde den Einwohner/innen nahegebracht, dass Nazis nichts in Eisdielen zu suchen hätten, vor allem aber nicht in der Gemeindevertretung von Burg Stargard. Denn dort sitzt für die Wählergemeinschaft Bürger für Burg Stargard (BFB) seit letztem Jahr Norman Runge. Zudem ist der Jungabgeordnete auch Mitglied des Schul- und Kulturausschusses und des Finanzausschusses der Gemeinde. Der Skandal: Runge ist Teil der expandierenden Neonazi-Szene der Region. Mehrmals war er Teilnehmer rechter Aufmärsche, zuletzt beteiligte er sich an einer Demonstration von NPD und Kameradschaften in Neubrandenburg für einen "Nationalen Sozialismus" am 01. Mai. Dabei pflegt er nicht nur Kontakte zu Neonaziaktivisten aus der Region wie David Petereit, dem Anmelder diverser Aktivitäten der Mecklenburgischen Aktionsfront. Runge übernimmt auch Aufgaben in der überregionalen Vernetzung von Neonazi-Gruppen. Seit einigen Monaten fungiert er als Domain-Inhaber einer rechten Internetseite gegen die Agenda 2010. Hier dokumentieren Kameradschaften, NPD und Nazi-Bündnisse aus ganz Ostdeutschland, wie sie Proteste gegen Sozialabbau für ihre Propaganda nutzen konnten. Als Alternative wird auch auf der Website für "Nationalen Sozialismus" geworben und beispielsweise ein "Arbeitsdienst" vorgeschlagen.

Norman Runge bewegt sich aber auch in seinem Heimatort in rechter Gesellschaft. Zum braunen Dunstkreis der Kleinstadt gehören der "Jungsturm Stargard" und ein "Stargarder Freundeskreis". Neuerdings soll es auch einen eigenen "Mädelbund" geben. Schon im Juni letzten Jahres wurde in Burg Stargard auf rechte Aktivitäten hingewiesen.

Gemeinsam mit Neubrandenburger "Kameraden" verantworten die Stargarder Neonazis auch etliche Verteilaktionen von tausenden Flugblätter des "Schutzbund Deutschland" in der Region. Diese "Organisation" hat offenbar nur den einzigen Zweck, mit teilweise grotesker, aber nicht minder übler Nazipropaganda in Form von Handzetteln für Spenden zu werben. So wird dort von Millionen ermordeten Deutschen durch "Besatzungterror" nach '45 fantasiert. Ziel der Alliierten wäre die "Umvolkung und Vermischung unseres Volkes" gewesen. Spendenempfänger ist Mario Schulz, ein Brandenburger Neonazis, der selbst die NPD als "Feinde unseres Volkes" bezeichnete. In Brandenburg wird bereits gegen die Verfasser, die eine Kontaktadresse in Woldegk angeben, ermittelt - in Mecklenburg meldete die Polizei im Nordkurier, sie hätte keines der Flugblätter zu Gesicht bekommen.

Die Spaziergänger/innen vom Wochenende kehrten auch auf dem Rückweg noch mal im Eiscafé ein. Lecker war's und ein schöner Ausflug. Nur ab und zu sahen sie einen Wagen mit abgedunkelten Scheiben durch die engen Gassen von Burg Stargard huschen. Am Steuer Gemeindevertreter Norman Runge - auf dem Nummernschild die 88, ein Nazi-Code für den verbotenen "Heil Hitler"-Gruß. Gibt es Eiscreme auch für Nazis? Wenn's nach uns geht, gibt es nichts!

PS: Gibt es Eiscreme auch für Polizeibeamte? Ob die Insassen, der bis zu 10 (!) Polizeifahrzeuge auch einen Ausflug gemacht haben, ist bislang nicht bekannt.

Links

Alter Wein in neuen Schläuchen
Die Mecklenburgische Aktionsfront vernetzt bestehende neonazistische Strukturen.
links-lang.de vom 19.05.2004
http://www.links-lang.de/0405/10.php

Deutsche Täter sind keine Helden!
Am Freitag, dem 18. Juni 2004, wurde mit einer Verhüllungsaktion gegen rechtes "Gedenken" in Burg Stargard protestiert. Bereits drei Wochen zuvor hatten vierzig Antifas in der Kleinstadt bei Neubrandenburg über tausend Flugblätter verteilt. Darin wurde über Neonaziaktivitäten in dem Ort informiert und zu einem stärkeren Engagement gegen rechte Propaganda aufgerufen.
links-lang.de vom 21.06.2004
http://www.links-lang.de/0406/07.php