links-lang fetzt!

Zwischen der Leugnung und dem Wunsch, es gleichtun zu können

In ihrer Hetze gegen die Wehrmachtsausstellung bedienen sich Neonazis im Fundus konservativer Kritik. Ihre Versuche, die Ausstellung zu diskreditieren, müssen jedoch halbherzig bleiben, denn eigentlich meinen sie etwas anderes.

So richtig wissen sie nicht, was sie wollen. Da propagieren Neonazis andauernd den Kampf gegen alles Undeutsche, sei es antifaschistisch oder "artfremd", und besingen Rechtsrock-Bands den Mord an "Juden" und "Zigeunern". Wenn es jedoch darum geht, dass die Helden neonazistischer Stammtischrunden und Tätowiermotive, Wehrmachtssoldaten und SS-Schergen, genau das gemacht haben, nämlich millionen Zivilisten im Zweiten Weltkrieg kaltblütig ermordet haben, wird abgewiegelt. "Pipapo, Verunglimpfung des deutschen Volkes, uns're Oppis waren keine Verbrecher."

Wer wie die extreme Rechte freilich Massenmord als legitimes Mittel der Politik ansieht, der wird eher Menschenrechte als Verbrechen abtun. Eine solche Offenherzigkeit trauen sich Neonazis dann allerdings in der Öffentlichkeit doch nicht zu. Also lenken sie in ihrer Hetze gegen die Wehrmachtsausstellung - sei es die alte oder die neue - lieber plump ab. Indem sie etwa gegen die Ausstellungsmacher als Kriegsgewinnler oder Kommunisten polemisieren. Oder mit dem antisemitischen Blick auf die herbeiphantasierte jüdische Weltverschwörung fragen, wem den die angebliche "Diffamierung des deutschen Volkes" nütze...

Mit diesen wenigen Inhalten lassen sich aber weder Flugblätter füllen, Reden schwingen noch Internetseiten vollschreiben. So sind Neonazis gezwungen, sich im Fundus rechtskonservativer Kritik an der Wehrmachtsausstellung zu bedienen. In ihrem Geschichtsverständnis gleichen sich Neonazi-Szene und bürgerliche Rechte mehr, als beide Seiten oft zugeben wollen. Das liegt wesentlich im ähnlichen Verständnis vom Kollektiv "Volk" begründet, über das sich die / der Einzelne als Individuum definieren soll. Wer seinen Selbstwert aus der Geschichte seiner Vorfahren zieht, kann schlecht neben die Schriften Goethes die Morde des Holocaust stellen.

Konservative Versuche sachlicher Kritik...

Also müssen nicht nur Verbrechen wie der Holocaust als Taten einer kleinen Gruppe dargestellt werden, von denen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wenig oder nichts wußte. Die Angriffskriege des nationalsozialistischen Deutschlands müssen ebenfalls in ihrer Bedeutung als gerechtfertig heruntergespielt werden, um in diese Ideologie zu passen. Während so der Angriff auf Polen zu einer humanitären Intervention für die unterdrückte deutsche Minderheit umgedeutet wird, wird aus dem Überfall auf die Sowjetunion wahlweise ein Präventivkrieg oder ein Versuch, England zum Friedensschluß zu bewegen.

In der Kritik an der ersten Wehrmachtsausstellung griff die konservative Rechte noch Einwände von Historikern auf und versuchte mittels dieser, die Seriösität der Ausstellung zu untergraben. Das betraf etwa die herausragende Rolle von Fotos in der Ausstellung, die die Texte als klassisches Darstellungsmittel in den Hintergrund rücken ließen. Geschichtswissenschaftler/innen kritisierten nicht nur, dass Bilder, die bis dahin nur zur Illustration genutzt wurden, eine sachliche Auseinandersetzung wegen der bei den Betrachter/innen ausgelösten Emotionen verhindern würden. Dadurch, dass zudem Bilder nicht immer zweifelsfrei einem Ereignis zugeordnet, aber auch gefälscht werden könnten, würden sie neue Ansprüche an die Quellenforschung stellen. Geschichtswissenschaftliche Ansprüche, denen die Wehrmachtsausstellung nicht gerecht werden würde.

Andere Aspekte der konservativen Kritik waren politischer oder pseudo-juristischer Natur. So wurde immer wieder behauptet, dass die Taten der Wehrmacht nicht als Verbrechen bezeichnet werden könnten, da sich das Kriegsgeschehen außerhalb der Haager Landkriegsordnung von 1907 und den Genfer Konventionen von 1929 bewegte: Beide Regelwerke würden etwa Partisanenkämpfe nicht vorsehen und sowieso für die Sowjetunion nicht zutreffen, die beide nicht ratifiziert hätte. Diese streng textbezogene Auslegung übersieht, dass es ein Gewohnheitsrecht in Kriegsfällen gab und sich internationale Konventionen auch in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg weiterentwickelt hatten und Diskussionen neue Fälle der Kriegsbegebenheiten wie eben Partisanen- und Freischärleraktivitäten berücksichtigten. Mehrere Versuche der UdSSR, mit dem Deutschen Reich über die Behandlung von Kriegsgefangenen übereinzukommen, wurden von der deutschen Führung abgelehnt.

Abstrus klingt die Behauptung, dass erst die Kriegsführung der Gegner Deutschlands zur Eskalation des Konfliktes beigetragen hätte. Angeordnete Verbrechen auf sowjetischer Seite gab es nie in dem Umfang, in dem sie von der Wehrmacht durchgeführt wurden. Erst mit der konsequenten Mißachtung des Kriegs- und des Gewohnheitsrechtes durch das Deutsche Reich übertraten auch die Alliierten gewohnte Standards in der Kriegsführung. Abwegig sind auch Erklärungsansätze, die Verbrechen von Wehrmachtssoldaten individualisieren und meinen, es hätte zwar Morde einzelner Soldaten und Befehlshaber gegeben, für den Tod von Millionen Zivilisten sei Institution Wehrmacht jedoch nicht verantwortlich zu machen. Verbrecherische Befehle werden hier genauso ignoriert ignoriert wie der Rechtsgrundsatz, dass sich auch strafbar macht, wer von einem Verbrechen weiß und nichts dagegen unternimmt.

...greifen in der neuen Wehrmachtsausstellung nicht mehr

Mit der neukonzipierten Ausstellung gilt all diese Kritik nicht mehr. Statt Fotos dienen nun viele Texte der Vermittlung der Inhalte. Und vermittelt werden nun auch Rechtsstandards und -verständnis der damaligen Zeit genauso wie Handlungsspielräume einzelner Soldaten, die mehr und mehr, mal aber auch weniger Menschen ermordeten.

Vielen Revisionisten, die sich nicht zur extremen Rechten zählen, ist so der Wind aus den Segeln genommen. Übrig bleibt die Neonazi-Szene mit einem lauten "Trotzdem". Sie nimmt die nicht unwesentlichen Veränderungen in der Ausstellung gar nicht erst zu Kenntnis, spielt noch immer auf die Unglaubwürdigkeit von Fotos als Quellen an und schwadroniert über die Rechtmäßigkeit der Massenmorde. Texte von hiesigen Neonazis sind, sofern sie sich nicht inhaltlich vollends disqualizifieren, zusammengeklaubte Fundstücke einer schnellen Internetrecherche oder behaupten, wie etwa Flublätter der "Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock" zum Thema, einfach die Unwahrheit.

Der Grund für die mangelnde Sachlichkeit ist freilich nicht Dummheit, sondern die Unehrlichkeit. Immer wieder scheint zwischen den Zeilen ihrer Pamphlete durch, was Neonazis eigentlich für die Taten von Wehrmacht-Soldaten und ihren SS-Kollegen empfinden: Bewunderung, Stolz und die Sehnsucht, es ihnen gleichtun zu können.