links-lang fetzt!

Neonazis nach Hause geschickt

Mehrere hundert Antifaschist/innen sorgten in Rostock dafür, dass ein Neonazi-Trauermarsch wahrlich traurig wurde. Nach Blockaden in der Innenstadt wurde die rechte Demo abgebrochen.

27.04.2003

Neonazis
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nochmal Neonazis
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Blockade des Universitätsplatzes
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Es ist bedeckt und nieselt. Das tut der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch. Zwischen 200 und 300 Besucher/innen sind es, die an diesem Abend des 26. Aprils bei einem alternativen Straßenfest in Rostock vorbeischauen. Grund zum Feiern haben sie allemal: Aufgrund breiter antifaschistischer Proteste ist eine Neonazi-Demo am Nachmittag abgebrochen worden.

Ein paar Stunden früher unterhält man sich hier und dort über die "Aktionsgruppe Festungsstadt Rostock". Allerlei Mühe hat sich das Trüppchen um Lars Jacobs gegeben, heißt es. Wochenlang haben die Faschos für die Demo geworben und sogar in lange nicht mehr gekanntem Ausmaß wieder in Rostock plakatiert. Mit dem Wochenende der Eröffnung der Internationalen Gartenbauausstellung glaubten sie ein Datum gewählt zu haben, das ihnen größtmögliche mediale Aufmerksamkeit bescheren würde. In der Tagespresse jedenfalls empören sich eine Menge Bürger und Lokalpolitiker.

Von großartiger Vorbereitung ist am Haus der Schifffahrt jedoch nichts zu merken. Gerade mal 180 Neonazis sind, die von dort aus losmarschieren, vergleichsweise wenig für eine Demonstration "freier Nationalisten". Hier und da Gerüchte, dass es ein paar mehr sein könnten, wenn diese nicht auf entschlossene Antifaschist/innen getroffen wären. Dieses Pech sollen auch einige Nachzügler haben, die sich in die Reihen der Polizei flüchten. Denn überall in der Rostocker Innenstadt halten sich Gegendemonstrant/innen auf. Friedensaktivist/innen, ältere Leute, Student/innen, bunthaarige Punks, vermummte Autonome, auch einige antifaschistische Skinheads sind dabei.

"Stalingrad, Stalingrad"

Ihre Wut entzündet sich an dem Auftreten der Neonazis, der Zurschaustellung ihrer menschenverachtenden Ideologie. "Alliierte Bombenterror" heißt es auf ihren Transparenten, darunter eine Durchhalteparole der Nationalsozialisten: "Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht!" Ein paar der wenigen Frauen halten ein Transparent mit der Aufschrift: "1944-1945 - Deutsche Frauen entehrt und geschändet. Wir vergessen sie nicht." Daneben schauen ihre männlichen Kameraden cool drein. Wahrscheinlich genauso cool wie ihre Helden der Wehrmacht, die in der Sowjetunion Frauen vergewaltigten, bevor sie sie mitsamt ihrer Kinder bei lebendigem Leibe verbrannten. Oder ihre Vorbilder der SS, als sie an den Bahnhöfen der Vernichtungslager die Menschen danach einteilten, welche sofort getötet und welche noch zur Arbeit gebraucht werden konnten. "Stalingrad, Stalingrad", schallt es aus den Reihen der Antifaschist/innen.

Die Neonazis dürfen nicht antworten, Rufe und Sprechchöre sind verboten. Ihre Demonstration ist ein Trauermarsch für die Toten eines alliierten Luftangriffes auf Rostock 1942, da wollen ihre Führer nicht, dass sie schlecht auffallen. Also gehen sie schweigend voran und lauschen der klassischen Musik vom Lautsprecherwagen. Nicht einmal Rechtsrock oder volkstümliche Balladen gibt es, die Stimmung ist schlecht. Sie verschlechtert sich noch mehr, als die Demonstration vor einer Kreuzung Halt machen muß. Mehrere Hundert Antifaschist/innen blockieren den Universitätsplatz in Rostocks größter Einkaufsmeile, durch die die Rechten marschieren wollen. Rechts von den Neonazis das Gericht, ein Ort, den viele von ihnen kennen dürften, von links erklingen Lieder mit Texten gegen Rechts.

Die Polizei scheint zu überlegen: Sollen sie die Demo umleiten oder durchknüppeln? Doch die Antifaschist/innen kommen ihnen zuvor. Vom Uni-Platz löst sich eine große Menschenmenge, die direkt zu den Neonazis geht. Mehrere Polizisten versuchen sich an einer Straßensperre, sind jedoch plötzlich eingekreist. Als sie einen Mann festnehmen, bricht die Kette auseinander. Die vermummten und behelmten Beamten prügeln sich den Weg heraus. "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten" tönt es aus hunderten Kehlen, und "Haut ab! Haut ab!" Inzwischen ist die Kreuzung, die die Rechten passieren wollen, voller Menschen. Einige setzen sich auf die Straße, rufen: "Keine Gewalt, keine Gewalt!" Es nützt ihnen nichts, an die zehn Protestierer/innen werden in Gewahrsam genommen. Namen werden gerufen. "Informiert den Ermittlungsausschuß über Festnahmen! Macht keine Aussagen bei der Polizei!" steht auf Flyern.

"Mit Grüßen von der Antifa"

Die Menge jedoch bewegt sich nicht fort. Und wird es auch die nächsten Stunden nicht tun. "Wenn wir lange genug ausharren, muß die Nazi-Demo aufgelöst werden", tönt es aus einem Mikrophon. Schwarz gekleidete Leute bringen Getränke vorbei. "Mit Grüßen von der Antifa", scherzen sie.

Plötzlich Unruhe bei den Neonazis. Einige vermummen sich, ziehen sich Handschuhe an. Die Polizei bildet eine zweite Kette in Richtung der Rechten, droht ihnen demonstrativ. "Der rechte Aufmarsch wurde abgebrochen", raunen Leute. "Die Neonazis gehen zurück", rufen andere, die höher stehen. Jubel bei den Gegendemonstrant/innen. Plötzlich wird noch ein junger Punk festgenommen. Eine Menschentraube bildet sich um die Beamten, die um sich schubsen. "Es ist doch vorbei, warum müßt ihr jetzt noch Streß machen", schreit jemand enttäuscht.

Zurück am Treffpunkt werden die Neonazis in eine Straßenbahn geschoben, dazu drängeln sich ausstaffierte Polizisten. Etwas weiter oben beobachten Antifaschist/innen das Geschehen. "Was für ein Ausblick", meint eine von ihnen. "Jetzt haben die Neonazis einen wirklichen Grund zum Trauern."

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