links-lang fetzt!

12.12.2002
Überfremdung durch Überfrachtung - Während in Ducherow und Anklam der rassistische Mob tobt, sind kritische Stimmen nicht zu hören

In Ostvorpommern hat man es schon schwer. Da gibt seit mehr als einem halben Jahr ein lautstarker Teil der Bevölkerung alles, um als Rassisten bezeichnet zu werden, aber niemand tut es. Stattdessen kommen Lokalpolitiker und Presse dem Mob immer wieder entgegen und hofieren dessen Haß auf alles Fremde, der sich in der Ablehnung eines einzurichtenden Flüchtlingsheims im Kreis entlädt. Wenn sie nicht sogar kräftig mitmischen. Die Rassisten in dem Dorf Ducherow haben den Konflikt für sich entscheiden können, nun ziehen die Anklamer mit kräftiger Unterstützung der CDU nach.

"Dschungel-Heim"-Erlaß und "Bürger"-Proteste

Im Juli 2001 beschloss die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns minimale Verbesserungen für Asylbewerber. Unter anderem sollen fernab jeglicher Ortschaften liegende Flüchtlingsheime in die Nähe von Dörfern oder Städten verlegt werden. Gegen die konkrete Umsetzung dieser Richtlinie formierte sich in Bad Doberan, Neustrelitz und eben Ducherow eine "unheilige Allianz aus rassistischem Bürgermob, um ihre Posten und Wahlchancen fürchtenden Kommunalpolitikern und Neonazis", schreibt das Antifaschistische Infoblatt in der Ausgabe 56. In einer Bürgerversammlung in Ducherow sahen sich die 500 anwesenden Einwohner "Schafe reißenden" Asylbewerbern ausgesetzt, die neben den Bewohnern eines Behindertenheims eine weitere "Belastung" für das Dorf seien. Die aggressive und haßerfüllte Stimmung entlud sich in rassistischen Zwischenrufen. Anwesende Neonazis mußten angesichts der Äußerungen gar nicht erst das Wort ergreifen.

Nachdem eine breite Koalition aus CDU, SPD und PDS sich gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in Ducherow ausgesprochen hatte, sah die im Land tätige Opferberatung Lobbi "die Sicherheit der Flüchtlinge nicht garantiert". Die von dem Verein angeregten Pläne zur dezentralen Unterbringung verschwanden jedoch in der Schublade, stattdessen mußten andere Häuser her. Die wurden in Anklam, der Kreisstadt Ostvorpommerns, gefunden. Der Bürgermob fühlte sich in seinem "Protest" bestätigt, die Ducherower Rassisten konnten sich freuen.

Angst vor "Überfrachtung" in Anklam

Das ermutigte ihre Anklamer Kollegen. Gleich nach der Ankündigung, die einstige Kriegsschule in der Stadt nutzen zu wollen, sprachen sich CDU-Kreistagsabgeordnete und Gewerbetreibende gegen das Heim aus. Noch anonym, doch zwei Wochen später, Mitte Dezember, war anscheinend die Unterstützung der Bevölkerung und der CDU-Kollegen eingeholt: Der Ortsvorsitzende Karl-Dieter Lehrkamp sah Versuche des Kreises, "Anklam mit Asylbewerbern zu überfrachten". Eine Wortwahl, die sicher nicht grundlos an faschistische Hetze gegen "Überfremdung" erinnert; wenn die CDU angekündigt, "innerhalb von 14 Tagen 10 000 Unterschriften" gegen das Flüchtlingsheim zu sammeln, werden ihr die lokalen Neonazis des Kameradschaftsbundes Anklam und der Pommerschen Aktionsfront bestimmt behilflich sein.

Null Bock auf Menschenrechte in Ostvorpommern?

Die Stimmen, die sich gegen die rassistische Hetze aussprechen, sind selten und überhörbar. Der Verein Lobbi kritisierte zwar auch die Stimmung in Ducherow, wurde jedoch nur wegen des Vorschlages der dezentralen Unterbringung, der auch ein Flüchtlingsheim "verhindert" hätte, wahrgenommen. Eine Demonstration "gegen den rassistischen Grundkonsens" anläßlich des zehnten Jahrestages des Pogroms von Lichtenhagen im August in Rostock, die auch Ducherow ansprach, erhielt keine überregionale Aufmerksamkeit. Dabei existiert seit mehreren Jahren in Anklam das Bündnis "Bunt statt Braun". Dieses hat jedoch hat sich bisher nicht zu den Ereignissen geäußert.

Dass eindeutige Aussagen gegen lautstarken Rassismus, auch eine Stigmatisierung der Schreihälse, das Bündnis von Bürgermob, Politikern und Neonazis aufbrechen könnte, dass lokales Gemauschel fern demokratischer Streitkultur nicht zu einem modernen gesellschaftlichen Klima beiträgt, ist keine neue Erkenntnis. Es scheint jedoch, als gäbe es in Ostvorpommern niemanden, der sie anwenden könnte.