links-lang fetzt!

05.02.2002
Für das Arbeiten leben wir...

Eine schöne neue Zeit hat der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, am Wochenende im Rahmen eines Symposiums zum Standort Deutschland eingeleitet. Die noch existenten Reste von Sozialstaat sind ihm zu viel, so daß er "massive Einschnitte in staatliche Sozialleistungen gefordert" hatte, wie die Schweriner Volkszeitung als eine von diversen Tageszeitungen heute zu berichten weiß. Er redete von einer radikalen Kürzung des Arbeitslosengeldes, verlangte flexiblere Arbeitszeiten, mehr Bereitschaft zum beschäftigungsbedingten Wohnungswechsel, eine Senkung der Zumutbarkeitsgrenzen - also vermehrte Arbeitsverpflichtungen - und sowieso "weniger Staat" und "mehr Eigenverantwortung".

Gerhard Schröder pflichtete ihm bei. Er verteidigte zwar die jüngste Steuerreform, beklagte sich im Hinblick auf die Forderungen Brauns nur über die schwierige Realisierung seiner Vorschläge: "Die angepeilte Verzahnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei allerdings 'schwer zu machen', da beitragsfinanzierte und steuerfinanzierte Leistungen zusammengeführt werden müssten. Dies könne nur gelingen im Rahmen einer grundlegenden Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in der nächsten Legislaturperiode," heißt es in der SVZ. Sprich: Wir würden gerne, aber die Zeit ist noch nicht reif. Aber gut, daß der DIHK schon vorausdenkt.

Widerspruch kam einzig und alleine vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Die Äußerungen von Herrn Braun sind eine dreiste Unverfrorenheit," wird Ingo Schlüter, stellvertretender Vorsitzender des DGB-Nord, zitiert. Wahrscheinlich kann er es sich schlecht vorstellen, hunderte Kilometer wegzuziehen, um einen Zehn-Stunden-Job anzutreten, für den er nicht ausgebildet ist und der nachmittags beginnt, nur um bei der nächsten Konjunkturflaute mit der Arbeitslosigkeit auch gleich in die Armut abzudriften.
Da Vordenkervereine wie der DIHK aber weit vorausschauen, hat Schlüter mitsamt dem DGB genug Zeit, sich an die Forderungen der Arbeitgeber zu gewöhnen. Dann wird es auch der Gewerkschaft leicht fallen, sich neuen Ideen zur Sanierung des Standortes Deutschland zu öffnen. Denn solange mensch gesetzlich legitimiert noch um zwei Prozent mehr Lohn streiten kann, kann die Welt in Deutschland doch nur in Ordnung sein.