links-lang fetzt!

17.01.2002
Bundesweit erste Haftstrafe wegen Verstoß gegen Residenzpflicht - heute Protest vor JVA Waldeck

Für den heutigen Tag haben antirassistische Gruppen zum Protest gegen die Haftstrafe für Arthur Vardanian aufgerufen. Wegen mehrmaligen Verstoßes gegen die Residenzpflicht wurde der Asylbewerber aus Friedland zu vier Monaten Haft verurteilt. Ausschlaggebend war eine Reise des Mannes nach Stuttgart: er hatte nur eine "Ausreisegenehmigung" für drei Tage erteilt bekommen, blieb aber sieben Tage, um für die Hin- und Rückreise das Wochenendticket nutzen zu können. Auf der Rückreise geriet er dann in eine Personenkontrolle.

Es ist das erste Mal, daß in der Bundesrepublik ein Asylbewerber wegen der Inanspruchnahme seiner Bewegungsfreiheit und des damit verbundenen Verstoßes gegen §85 des Asylverfahrensgesetzes in den Knast muß. Damit zeigt die rot-rote Landesregierung, daß sie ihren Kollegen in Sachen Repression nicht nachsteht. Der PDS-Landtagsabgeordnete Monty Schädel ist einer der wenigen Politiker, die sich für den Asylbewerber aus Armenien einsetzen. Er hat bei der Landesregierung ein Gnadengesuch eingereicht. Doch Ministerpräsident Harald Ringstorff wollte Schädel erst gar nicht empfangen und von Justizminister Erwin Sellering hat er noch keine Antwort erhalten. "Mit der Bildung der Koalitionsregierung haben die SPD und die PDS vereinbart, daß die Landesregierung sich darum bemüht, eine 'Atmosphäre' zu schaffen, die Immigranten, Flüchtlinge und andere Ausländer als gleichwertige und gleich geachtete Persönlichkeiten anerkennt", meinte er gegenüber der jungen welt. Eine Koalitionsregierung, die zur Farce verkommen ist.

Doch nicht nur die SPD, auch die PDS schweigt zu der Angelegenheit. Einzig Peter Ritter, Fraktionsvorsitzender im Landtag und ausländerpolitischer Sprecher, hat sich noch an den Justizminister gewandt. "Wir haben in den zurückliegenden drei Jahren (..), was die Asyl- und Flüchtlingspolitik angeht, doch etwas erreicht (...). Daß nun Herr Vardanian für vier Monate in Haft muß, wirft uns auf diesem Politikfeld wieder zurück," erzählt er der jungen welt.

Auch Lobbi, die landesweite Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, kritisiert das Gesetz: "Die so genannte Residenzpflicht schafft das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit faktisch ab. Was für eine kriminelle Straftat gegenüber dem deutschen Volke wird dem Asylbewerber Arthur W. vorgeworfen?" wird in einer Presseerklärung gefragt. "Hier stellt sich die Frage nach dem Sinn einerseits der Entscheidung der Ausländerbehörde, einem Asylbewerber einen Urlaubsschein für drei Tage zu bewilligen, obwohl er eine Strecke von insgesamt 2000 km zu bewältigen hat, und andererseits nach dem Sinn der Verurteilung für eine Sache, die für uns Deutsche das normalste der Welt ist, Leute zu besuchen, wann und wo wir möchten," heißt es weiter.

Heute muß Arthur Vardanian seine Haft in Waldeck antreten. Verschiedene Gruppen haben zum Protest gegen die Residenzpflicht ab 14 Uhr vor der JVA bei Dummerstorf aufgerufen.

Am Rande: die PDS "dankte" Monty Schädel auf ihre Art für sein kritisches Engagement: zur kommenden Landtagswahl wurde ihm der wenig aussichtsreiche Listenplatz 28 gesetzt. Damit rot-rote Koalitionsarbeit auch in Zukunft reibungslos verläuft.