links-lang fetzt!

"Hass regiert unsere Lieder"

Immer wieder finden Rechtsrock-Veranstaltungen in MV statt. Während Gastwirte sich darüber schulen wollen, bleibt die Polizei zunehmend untätig.

10.04.2004

Gebäude in Dambeck
Gebäude in Dambeck, 600x450, 168 KB
Die EinwohnerInnen von Dambeck bekamen nur wenig mit vom Treiben in dem leerstehenden Gebäude am Ortsrand. Nur in der gegenüberliegenden Tankstelle fielen die vielen Fahrzeuge aus dem ganzen Bundesgebiet auf.

An diesem Samstag-Abend, am 27. März, wurden etwa zweihundert rechte Skins in das Dorf im Müritzkreis gelotst. Die unmittelbare Nähe der kleinen Gemeinde bei Röbel zur Autobahn war sicher mit ausschlaggebend für die Ortswahl. Die Hamburger Immobilienfirma Saka hatte den Saal des gelben Gebäudekomplexes an die Neonazis vermietet. In dem ehemaligen "Night-Club" trat der rechte Rechtsrock-Nachwuchs auf. Einem Konzertbericht im Hatecore-Portal zufolge, spielten die fünf Gruppen fast alle das erste Mal live. Dabei sind die Bandnamen wohl Programm: Blue Eyed War, Race and Nation und Inborn Hate sollen "klasse Leistungen" abgeliefert haben. Eine Band brachte offenbar mit Landser Cover-Versionen "Stimmung in den Saal". Allein Kommando Ost hatte schon Bühnenerfahrung, beipielsweise vom letztjährigen NPD-Open-Air in Gera. Die Skinhead-Rock-Combo bot auf dem Konzert nach Angaben des Berichterstatters "Impi" auch ihre Titel von dem Hammerskin Nation-Sampler "Status Quo Germania" dar.

Dass in Dambeck eher die letzte Reihe der Rechtsrock-Szene aufspielte, lag wohl am finanziellen Backround der Veranstaltung - die eingenommenen 3000 € sollen an die Eltern von zwei verstorbenen Kameraden gehen. Dafür konnten sich die lebenden Kameraden über Bierpreise von einem Euro freuen.

Die Gäste konnten sich auch über Polizei und Ordnungsamt freuen - diese trollten sich tatsächlich nach kurzer Inspektion. Damit "beaufsichtigte" die MAEX in diesem Jahr schon mindestens zwei Konzerte und weitere im letzten Jahr - ohne einzugreifen. Im Februar fanden Neonazis nach zwei Absagen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen eine Ersatz-Location im mecklenburgischen Boizenburg. Die 250 KonzertbesucherInnen machten den 400 angeforderten PolizistInnen aber die "Tür vor der Nase" zu. In der Halle, die zum Umfeld der örtlichen Rocker-Crew gehörte, spielten die Berliner Band Legion of Thor, eine Magdeburger Band, Ultima Frontiera aus dem italienischen Triest, Path of Resistance und Einherje. Mit vor Ort: der Hamburger Nazi Christian Worch, der später ausführlich und gewohnt selbstverliebt über die "gelungene Feier" und seine erfolgreichen Polizeigespräche berichtet.

Das zeigt, wie schnell Neonazis den sogenannten "Konzerterlass" aushebeln, solange sie nur Gesetzestreue vorspiegeln. Darauf will der "Deutsche Hotel- und Gaststättenverband" (DEHOGA) in Mecklenburg-Vorpommern mit Schulungen für Wirte und Wirtinnen reagieren, um Imageschäden zu vermeiden. Einer Meldung seiner Verbandszeitschrift zufolge, soll dabei gelernt werden, getarnte Nazi-Events zu erkennen und auch nach Beginn der Konzerte zu reagieren. Eine wirklich gute Idee der DEHOGA - ob diese Informationen wirklich jede Kneipe erreichen, ist leider zu bezweifeln - ebenso Immobilienfirmen und andere VermieterInnen. Hinzu kommt, dass vielerorts das Image eh schon egal ist und sich GaststätteninhaberInnen lieber über die Einnahmen freuen oder gar mit ihren rechten Gästen sympathisieren.

Noch schwieriger wird's, schaffen sich Neonazis ihre eigenen befreiten Musik-Zonen. Einen solchen neuen Raum für "volkstümliche Musik" hat sich rechte Szene Vorpommerns jetzt offenbar mit einem Vereinshaus eines Motorradclubs an Land gezogen. In Lassan, dessen rechte Jugend schon mehrmals in die Schlagzeilen geriet, kauften Nazis mit Bandidos-Kontakten eine alte Kaufhalle für den "Vengator-MC". Ein potentieller Auftrittsort beispielsweise für die in Zarnekow probende Band Skalinger aus dem nahegelegenen Wolgast. "Hass regiert unsere Lieder", grölt die Nazi-Combo seit mehreren Jahren. In ihren Texten rufen die drei Bandmitglieder ihre ZuhörerInnen zu den Waffen und hetzen gegen Flüchtlinge, Juden und Linke. Offene Gewaltaufrufe gibt's trotz Indizierungen zum Download im Internet: "Schlimmer als die pest und cholera /verbreiten sie nur übel / ist es euch klar/ wir müssen endlich was gegen diese seuche tun /kein volksgenosse darf mehr ruhn /Das sind die ewigen juden aus israel / warte nur bald kommen sie auch zu dir/ sie wollen dein geld, dein ganzen besitz / glaub es mir das ist kein witz / Sie raffen und raffen alles was sie kriegen im namen ihres gottes und dem heiligen frieden / Seht ihr nicht das große krebsgeschwür / schauts euch an und folget mir /wir müssen sie vernichten oder es ist bald aus/dreht endlich wieder die hähne auf"

Jetzt erwarten die Wolgaster einen Prozess wegen Volksverhetzung. Solange werden sie und andere weiter in Mecklenburg-Vorpommern für ihr rechtes Klientel auftreten. Womöglich unter Polizeiaufsicht.

Lesehinweise

Böse Buben und besorgte Bürger
Ein Bericht über Rechtsextremismus und Rassismus in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2002
http://www.links-lang.de/antifa/mv2002.pdf

Turn it down
Neue Plattform für Musik // Kultur // gegen Rechtsrock
http://www.turnitdown.de

RechtsRock
Bestandsaufnahme und Gegenstrategien
Dornbusch/Raabe (Hrsg.), Unrastverlag 2002, 24€, ISBN 3-89771-808-1