links-lang fetzt!

Den lachenden Soldaten folgt die differenzierte Befehlsstruktur

Ein kurzer Abriß der Geschichte der Wehrmachtsausstellung, ihrer Schließung und Neueröffnung

Eigentlich war sie nur für einen "kleinen Kreis interessierter Wissenschaftler" gedacht. Vor ein paar Jahren zeigte Hannes Heer sich noch verwundert, welches öffentliche Interesse die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht von 1941 bis 1944" erzielen sollte. In den ersten vier Jahren nach 1995 besuchten in 33 Städten fast 900 000 Menschen die Ausstellung über die tragende Rolle der Wehrmacht am nationalsozialistischen Massenmord in Osteuropa.

Das dürfte an ihrer Aufbereitung geschichtlicher Fakten gelegen haben. Den Ausstellungsmacher/innen des Hamburger Institutes für Sozialforschung (HIS) ging es nicht darum, Geschichte trocken zu erklären und nachvollziehbar zu machen. Stattdessen sollten die Besucher/innen mit historischen Tatsachen schlichtweg konfrontiert werden. Dokumentation und Emotion würden dann zur (Selbst-) Aufklärung verschmelzen. "Zunächst einmal gilt es, so verstehe ich Aufklärung, die Welt zur Kenntnis zu nehmen, wie sie ist, ihre angenehmen und ihre unangenehmen Seiten," erklärte Jan Philipp Reemtsma, Leiter des HIS, dieses Prinzip 1997.

Die Ausstellung mußte zwangsläufig mit der verbreiteten Erinnerungskultur in der Bundesrepublik kollidieren. Nicht nur in rechtsextremen, sondern auch in konservativen Kreisen war das Bild der "sauberen Truppe" Wehrmacht erhalten geblieben. Einzelne Soldaten seien zwar in Verbrechen verwickelt gewesen, hieß es, aber die Armee an sich sei "ehrbar" geblieben.

Die Volksfront der Erinnerungsverweigerer

Unter der Parole "Unsere Großväter waren keine Verbrecher" fanden sich fortan all jene gegen die Wehrmachtsausstellung zusammen, die die Geschichte leugnen oder sie gutheißen wollten. Während der Ausstellung in der Presselandschaft von konservativen Kräften Demagogie und Polemik vorgeworfen wurde, befanden sich anderswo auch mal CDU'ler mit Neonazis im ideologischen Gleichschritt: Am 1. März etwa in München, wo 5 000 Alt- und Neonazis aufmarschierten. Vorher warf der örtliche CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler dem HIS vor, "einen kollektiven Vernichtungskrieg gegen die Deutschen" zu führen. Am 9. März 1999 wurde in Saarbrücken auf die Ausstellung ein Sprengstoffanschlag verübt. Erst einen Tag zuvor waren in lokalen Zeitungen großformatige Anzeigen von CDU-Politikern unter dem Titel "Unsere Väter waren keine Mörder" erschienen. Schon 1996 wurden in Erfurt zahlreiche Tafeln mit dem Wort "Lüge" beschmiert.

Der Popularität der Ausstellung taten diese Aktionen keinen Abbruch. Im Gegenteil: Erstmals wurde eine wirklich breite Diskussion über die Rolle der Wehrmachts im Nationalsozialismus geführt.

Ende des Jahres 1999 jedoch bekamen die Gegner der Ausstellung neuen Auftrieb. Ein Aufsatz des Historikers Bogdan Musial machte die Runde, in dem er die Aussagekraft von neun Bildern anzweifelte. Während die rechten Kritiker/innen nun wieder von Demagogie, Agitation und Instrumentalisierung redeten, ließen sie jedoch eines außer acht: Dass der Grundtenor der Ausstellung durch ein paar falsch zugeordnete Bilder von mehr als 1 400 kein anderer war. Auch Musial bekräftigte in seinem Aufsatz, dass die Wehrmacht "an Verbrechen, besonders im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und auf dem Balkan, zum Teil massiv beteiligt war."

Das HIS setzte sich allerdings nicht mit den sachlichen Einwänden auseinander, während die wiederaufgeflammte Kritik immer lauter wurde. Der öffentliche Druck zwang das Institut schließlich dazu, dass die Ausstellung geschlossen und eine Historikerkommission eingesetzt werden mußte.

Historikerkommission betont nach Fälschungsvorwürfen richtige Grundaussage der Ausstellung

Der angebliche Triumph der Erinnerungsverweigerer entpuppte sich beim Erscheinen des Berichtes der Kommission jedoch als vorschnell. Obwohl die Ausstellung sachliche Fehler enthalte und Ungenauigkeiten sowie Flüchtigkeiten vorgekommen seien, haben die Ausstellungsmacher/innen eine ordentliche Quellenarbeit geleistet und sei die Grundaussage der Ausstellung richtig. "Es ist unbestreitbar, dass sich die Wehrmacht in der Sowjetunion in den an den Juden verübten Völkermord, in die Verbrechen an den sowjetischen Kriegsgefangenen und in den Kampf gegen die Zivilbevölkerung nicht nur 'verstrickte', sondern dass sie an diesen Verbrechen teils führend, teils unterstützend beteiligt war," heißt es.

Anstatt nun die wenigen bemängelten Bildunterschriften zu korrigieren und mit der Wehrmachtsausstellung weiter durch die Lande zu ziehen, ging das HIS auf eine weitere Kritik ein, die im Kommissionsbericht wie auch schon vorher von Historiker/innen laut wurde: Dass die Ausstellung nicht ausreichend wissenschaftlich konzipiert sei, dass sie nicht ausreichend kontextualisieren und keine angeblich mögliche objektive Auseinandersetzung ermöglichen würde.

Der Forderung, dass die Besucher/innen nicht mit der Vergangenheit konfrontiert, sondern an sie herangeführt werden, dass sie sie differenziert verstehen können sollen, wurde dann auch die neue Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" gerecht. Statt lachender Wehrmachtssoldaten vor Bergen von Leichen sind nun Schriftstücke zum Kriegsrecht im zweiten Weltkrieg ausgestellt, statt Feldpostbriefen, in denen Landser stolz über ermordete "Untermenschen" berichten, können nun Darstellungen zum individuellen Handlungsspielraum beim Befolgen eines Befehles gelesen werden. Der Rassenwahns und der eliminatorischen Antisemitismus der Millionen Deutschen an der Front stehen nicht mehr im Vordergrund.

Die neue Ausstellung paßt ins neue deutsche Geschichtsverständnis

Mit Hannes Heer war das nicht zu machen, er mußte seinen Posten als Ausstellungsleiter räumem. Glücklich dagegen zeigte sich nun die deutsche Öffentlichkeit; sowohl aus der Historikerzunft als auch der konservativen Presse und der CDU kam nun Anerkennung für die neue Ausstellung. Die FAZ faßte das so zusammen, dass nun auch die Wehrmachtsgeschichte zur "Konsenshistorie (wird), deren politische Nutzanwendung selbstverständlich" erscheint. So nutzt sie zum Beispiel zur kollektiven Selbstfindung der Deutschen in der scheinbaren Aufarbeitung der Vergangenheit, oder in der Legitimation von militärischen Interventionen zur Friedenssicherung.

Nur die extreme Rechte hat das noch nicht begriffen. Sie haben zwar eine neue Beschäftigung für ihre Wochenenden gefunden, indem sie der Wehrmachtsausstellung hinterherfahren und gegen die angebliche Verunglimpfung ihrer Opas protestieren. Politik und Geschichte wird jedoch mal wieder ohne sie gemacht.