links-lang fetzt!

Es ist nicht vorbei - Kein Vergeben - Kein Vergessen - Lichtenhagen 1992-2002
Folgender Aufruf zu einer antifaschistischen Demonstration am 24. August in Rostock kam an. Weitere Infos gibt es unter der Infotelefonnummer 0381-458 35 81: Treffpunkt ist die Straßenbahnhaltestelle Evershagen Süd (Bertold-Brecht-Straße/Hans-Fallada-Straße), los gehts um 9 Uhr Richtung Lichtenhagen. Für Notfälle gibt es die EA-Nummer 0179 - 87 29 925. Ein Blick ins Demo 1x1 kann nicht schaden.

10 Jahre Lichtenhagen

August 1992: Relativ unbehelligt von Polizei und antifaschistischem Protest greift ein rassistischer Lynchmob über mehrere Tage die in Rostock Lichtenhagen gelegene ZAST (Zentrale Aufnahmestelle für AsylbewerberInnen) und später ein von VietnamesInnen bewohntes Haus an.

Unter tosendem Beifall und der aktiven Mitwirkung von vielen Hundert Rostocker AnwohnerInnen wird dabei der mögliche Tod hunderter Menschen in Kauf genommen.

Lichtenhagen steht nicht nur für Pogromstimmung gegen MigrantInnen, sondern war auch der Vorwand für die faktische Abschaffung des Asylrechts in der BRD, eines bis dahn hochgehaltenen Grundrechtes. Der Bevölkerung sei die zunehmende Belastung durch AsylbewerberInnen nicht mehr zuzumuten, es sei Zeit geworden, den "ungebremsten Zustrom" von AusländerInnen endlich zu stoppen, hieß es aus politich verantwortlichen Kreisen.

Die Flüchtlingspolitik des Staates drängt Flüchtlinge und MigrantInnen seitdem zunehmend in eine Situation der ständigen Ungewissenheit und der Angst vor Abschiebung.
Die bürokratischen Sondergesetze, denen Flüchtlinge unterstehen, sind allumfassend und diskriminierend. Die zwangsweise Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, oftmals mitten im Wald gelegen, und die Residenzpflicht, d.h. die Pflicht, den zugewiesenen Landkreis nicht zu verlassen, schränken die Freiheit erheblich ein.
Es gibt für Flüchtlinge - gerade im dünn besiedelten M-V - kaum eine Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen oder mit anderswo Untergebrachten in Austausch zu treten.
Hinzu kommt, dass in M-V, wie in vielen anderen Bundesländern, Asylsuchende kein Bargeld, sondern Wertgutscheine erhalten, mit denen nur in bestimmten Läden eingekauft werden kann und die sie deutlich als nicht zur Gesellschaft dazugehörend diskriminieren.

Mit diesen Maßnahmen ist eine eindeutige Botschaft verbunden: Flüchtlinge sind nicht willkommen, ihr Aufenthalt hier ist von vorneherein nicht auf Dauer ausgelegt, und der Umgang mit ihnen orientiert sich nicht an konkreten Bedürfnissen, sondern an Vorgaben aus Bürokratie und Verwaltung. Diese Regelungen entstammen Diskussions- und Entscheidungsprozessen, die mit Hilfe fremdenfeindlicher Propaganda geführt wurden.

So bedrohen MigrantInnen die "Deutsche Leitkultur", seien "Sozialschmarotzer" oder "Berufskriminelle" und werden neuerdings unter den Generalverdacht des Terrorismus gestellt. Gleichzeitig wird noch stärker zwischen "Ausländern, die uns nützen, und solchen die uns ausnützen" (G. Beckstein) unterschieden. Während einigen zumindest ein zeitlich begrenzter Aufenthalt aus arbeitsmarktpolititschen Erwägungen erleichtert wird, werden die Regelungen für den Rest verschärft.
Zur rassistischen Ausgrenzung kommt also die ökonomische. Gefordert ist die totale Unterwerfung der Menschen unter die kapitalistische Verwertungslogik.
Durch restriktive Gesetzgebung ist es vielen MigrantInnen ohnehin nicht möglich, legal zu arbeiten, so dass sie in den Augen der Leistungsgesellschaft noch niedriger bewertet werden als "normale" Arbeitslose.

Durch das Zuwanderungsgesetz und die "Sicherheitspakete" wird die Situation von Flüchtlingen in Deutschland weiter verschärft.
Im Zuge des Sicherheitswahns werden vorsorglich von allen Asylsuchenden biometrische Daten, wie zum Beispiel Fingerabdrücke gespeichert und den Behörden (z.B.: Polizei) uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Weitaus mehr Menschen als bisher werden von Abschiebung bedroht sein bzw. in die Illegalität gedrängt. So wurde der Status der Duldung massiv eingeschränkt, d.h. bisher geduldete Flüchtlinge erhalten keine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung. Auf "Geduldete" wird damit massiv Druck ausgeübt, "freiwillig" abzureisen, denn ohne Papiere ist gesellschaftliche Teilhabe in diesem Land kaum möglich. Momentan werden Versuche unternommen, diese bis zu ihrer Abreise in nochmals gesonderten "Ausreiseeinrichtungen" unter nochmals verschärften Sanktionen unterzubringen.

Eine solche Gesetzgebung ist nur auf der Basis eines weit verbreiteten rassistischen Grundkonsens durchzusetzen - und sie bestärkt diesen gleichzeitig aufgrund ihrer propagandistischen Vereinfachung. Die TrägerInnen dieses häufig stillschweigenden Konsens definieren sich über vermeintliche Gemeinsamkeiten und verstehen sich letztendlich als elitäre Volksgemeinschaft.

Ein solcher gesellschaftlicher Nährboden ist es, der es Nazi-Eliten möglich macht, ihr rassistisches und chauvinistisches Weltbild zu verbreiten und Nachwuchs zu rekrutieren.
Sie können sich als die wahren VertreterInnen des Volkswillen präsentieren und versuchen, jene Volksgemeinschaft in ihrem Sinne zu dominieren. So gibt es in vielen Gebieten der Bundesrepublik längst Gegenden, die zu "no-go-areas" für bestimmte Communities geworden sind. Flüchtlinge, Nichtdeutsche, Obdachlose, ArbeitsverweigerInnen, DrogengebraucherInnen, Homosexuelle oder Behinderte - sie alle passen nicht in die Gemeinschaft und sind der gesellschaftlichen Isolation und Abwertung ausgesetzt.

Erst wenn gewalttätige Übergriffe medienwirksam werden und am glänzenden Lack der "weltoffenen" Republik u kratzen drohen, regt sich gesellschaftlicher Protest.
Doch geht es in erster Linie um die Pflege eines Images, die Sicherung des Wirtschaftsstandortes und die Ablehnung von Gewalt, wie sie sich in Übergriffen von Nazi-Schlägern zeigt.
Die Realität zeigt, dass es auch mit der Verurteilung solcher Gewalttaten nicht weit her ist. Täglich finden Übergriffe statt, die sich der medialen Wahrnehmung entziehen und von vielen Menschen stillschweigend geduldet und sogar begrüßt werden. Die viel zitierte Zivilgesellschaft ist dort offenbar nicht angekommen.
Dass sich an dem rassistisch geprägten Grundkonsens in der Gesellschaft nicht viel geändert hat, zeigt auch die aktuelle Diskussion um die Umsetzung des Heimerlasses der Landesregierung M-V, der die Ansiedlung von Flüchtlingsheimen in Ortsnähe vorsieht.
Schnell entwickelte sich in den betroffenen Orten ein starker, rassistisch geprägter Protest der örtlichen Bevölkerung. Aktuelle Beispiele lassen sich nicht nur in M-V, sondern im gesamten Bundesgebiet finden, wie Ducherow, Bad Doberan, Bornstedt und Gotha zeigen.
Hier tritt erneut der Grundkonsens zu Tage, der die Volksgemeinschaft von Nazis, EinwohnerInnen und KommunalpolitikerInnen in ihrem Widerstand eint.

Mit unserer Demonstration wollen wir auf eben diese Proleme hinweisen. Nazistische, rassistische, antisemitische, sexistische und sozialdarwinischte Tendenzen müssen unnachgiebig bekämpft und der gesellschaftliche Boden, auf dem diese gedeihen, kräftig umgepflügt werden.
Es reicht längst nicht, "gegen Gewalt" Flagge zu zeigen und auf einzelnen Veranstaltungen friedliches Miteinander zu demonstrieren, wenn kurz vor der Haustür Menschen diskriminiert, verfolgt, angegriffen und gar getötet werden - stillschweigend geduldet von einem Großteil der Bevölkerung.

Wir treten ein für eine Gleichberechtigung aller Menschen, für ein Ende der diskriminierenden Gesetzgebung gegen Flüchtlinge. Wir stellen uns gegen eine fremdenfeindliche Grundhaltung in großen Teilen der Bevölkerung, die den Nazis den Nährboden bereitet. Schluss mit der totalen Unterordnung von Menschen unter Verwertungsaspekte.

No Borders, No Nations, Stop Deportations - Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle, die hier leben wollen!
Schluss mit ausgrenzender und diskriminierender Politik!
Gegen den rassistischen Grundkonsens in der Gesellschaft!
Kein neues Lichtenhagen, hier und anderswo!

Wir laden Euch ein zu unserer Demo:

Es ist noch nicht vorbei - Kein Vergeben - Kein Vergessen
Lichtenhagen 1992-2002


Am 24. August 2002 in Rostock!
Zeitpunkt, Treffpunkt und Strecke der Demo werden unter der Infotelefonnummer: (0381)458 35 81 bekannt gegeben.